Fußball ist eine Mathematik

An einem kalten Novemberabend vor fast sechs Jahren war der Fußball-Funktionär Karl-Heinz Rummenigge missmutig gestimmt. Das konnte man sehen, aber vor allem hören, obwohl ihm sein Kollege Uli Hoeneß noch gewarnt hatte: “Kalle, sag’ nichts!” Doch Kalle sagte etwas.

Fußball, greinte er, ist keine Mathematik. Der FC Bayern war soeben gegen die Riesen aus Bolton nicht über ein schmales 2:2 hinausgekommen, und das zu Hause, und das im UEFA-Cup, und das trotz eines ausgebildeten Mathematiklehrers am Seitenrand. Ein halbes Jahr danach war der Mann, der so viele Lorbeeren eingeheimst hatte, zum zweiten Mal Geschichte in München. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ottmar Hitzfeld nicht gänzlich freiwillig aus seinem Amt schied, damals, vor dem leidigen Klinsmann-Chaos. Rummenigges Generalschelte hatte ihn tief gekränkt.

Der Aphorismus selbst hat es, so bündig formuliert und simpel strukturiert er sein mag, in der Folgezeit zu erstaunlicher Popularität gebracht. Das liegt daran, dass er ziemlicher Unfug ist. Natürlich weisen Fußball und Mathematik einige – Achtung: zweitklassiger Wortwitz – Schnittmengen auf. Wer genau hinsieht (und korrekt umformt), erkennt sogar die ein oder andere Parallele. Ha. Ha.

Bayer Leverkusen und die Brychrechnung

Rummenigges Weisheit wird immer wieder gerne aus den verstaubt geglaubten Mottenkisten der Archive gefischt. Der Fußball ist nämlich ein wissenschaftliches Gesellschaftsspiel geworden, welches den Umgang mit mathematischen Methoden unabdingbar macht. Es werden Treffer gezählt, Punkte addiert, Tordifferenzen differenziert, Europapokal-Arithmetiken überschlagen, Tabellen errechnet, Weltranglistenplätze mit unbekannten Faktoren multipliziert und überhaupt mit allerlei verwirrenden Formeln hantiert. Zum Beispiel der Erfolgsformel. Manchmal verspüren die Teams merkwürdige Muse auf höhere Mathematik, dann teilen sie sowohl Tore als auch Punkte. Und schließlich gibt es ganz pfiffige Kerlchen, die bereits im Training den Zirkel bemühen. Streber.

Zudem soll es vorkommen, dass hier und da ein wenig in den Übungsheften geschlampt wird. So haben kürzlich die Sportskameraden von Bayer Leverkusen das kugelförmige Objekt einmal in das Rechteck von 7,32 x 2,44 Metern befördert. Unter dem Strich wurde jedoch eine “2” notiert, das entspricht nach dem Maximierungsprinzip einer 100-prozentigen Gewinnsteigerung. Einzig am kleinsten gemeinsamen Nenner scheiterten die Leverkusener Lehrlinge – zwar wollten sie Völler Eifer auf 20 Minuten kürzen, aber der Bruch war brychig.

Hätten sie mal lieber ihren Meister gefragt. Dieser wäre nicht nur in der Lage gewesen, ihnen die Eintrittswahrscheinlichkeit einer deutschen Meisterschaft detailliert zu benennen (null Prozent) und selbiges auch für den FC Schalke zu tun (4 Minuten, 38 Sekunden); er hielt die Schriftführer der Statistikabteilung mächtig auf Trab: 817 Pässe wurden gegen Mainz registriert, neuer Bundesliga-Rekord. Mit dem 4:1 nach 0:1 sind die Bayern nun 34 Spiele am Stück ungeschlagen, und Karl-Heinz Rummenigge meinte, zum Glück dauere eine Partie 90 Minuten. Späte Einsicht?

Maßgeblichen Anteil am vertrauten Drei-Punkte-Erlebnis hatte der 37 Millionen teure Neuzugang Mario Götze, der bis dahin erst 176 Minuten auf dem Rasenrechteck verbracht hatte. In Anbetracht dessen gelang die Integration durch Substitution erstaunlich reibungslos. Der 21-jährige fungierte nach seiner Einwechslung in loser Reihenfolge als klassischer Zehner, falscher Neuner, verkappter Achter und undefinierbarer Zwischen-den-Linien-Wusler. Aber das sind Zahlen, die nicht zählen. Drei Torbeteiligungen, zwei direkte Assists für zwei verwinkelte Schüsse, das waren die wichtigen Arbeitsnachweise von Bayerns Nummer 19. Transfer(aufgabe) geglückt. Und das an einem Samstag. Fleißig.

Thomas Müller und der Flächeninhalt

In der 1. Halbzeit hatte den FC Bayern noch die schwächste Passquote der laufenden Saison gehemmt. Doch dann sagte Pep Guardiola, was ein Trainer von Welt eben so sagt in der großen Pause: “Wir wechseln ein bisschen das System.” Schon war eine ertragslose Dreiviertelstunde ausgeklammert. Fußball kann so banal sein. Thomas Müller wurde an die Tafel beordert und verdeutlichte Lernfortschritte: “Wir haben auf einmal Räume gefunden.” Der Müller – gut, dass er bei der Berechnung des Flächeninhalts aufgepasst hat. Das gibt einen positiven Vermerk im Klassenbuch.

Die starren Graphen verkrümmten sich plötzlich in ihrer Monotonie, was auch den Kaiser freute. Mainz-Coach Thomas Tuchel wollte ebenfalls mit akademischen Sinnsprüchen um sich werfen: “Wenn du in den VW-Käfer, Baujahr ’70 steigst, solltest du nicht davon träumen, dass du in der Formel 1 gewinnst.” Da! Wieder so eine krude Formel.

Somit können wir kurz vor Ende der Unterrichtsstunde etwas Grundsätzliches klären. Worum geht es wirklich in diesem Sport? Nein, nicht um die Ehre. Es ist offensichtlich – ums Geld. Wer die Bruchrechnung nicht beherrscht, bringt sich dabei schnell um Bares. Ein Spieler lehnte einst ein Angebot zur Vertragsverlängerung mit diesem – zugegebenermaßen unschlagbaren – Argument ab: “Ein Drittel mehr Gehalt ist mir zu wenig. Ich will mindestens ein Fünftel!”

Dank meiner fundierten Mathematikkenntnisse kann ich grob umreißen, dass Quadrupel-Sieger FC Bayern am Mittwoch besser keinen Gegentreffer zulässt, um summa summarum reelle Zahlen und Punkte zu erhalten. Für Pils(en) steht in der Idealvorstellung demnach die leere Menge: L = { }. Für mich persönlich evaluiere ich derweil Weißbier, wobei die exakte Variable noch zu bestimmen ist. Jedenfalls liegt sie in einem Bereich x 0.

Quod erat demonstrandum.

Bildquelle: spox.com

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