Es war vertrautes Terrain, das Mario Götze am Samstag betrat. Und doch war alles anders für ihn im Signal-Iduna-Park.
Die “Gelbe Wand”, die ihn einst als Held gefeiert hatte, pfiff ihn gnadenlos aus.
Schmähgesänge hallten von den Rängen, einige Fans streckten ihm Transparente mit beleidigender Aufschrift entgegen. “Judas”, Verräter, war oft zu lesen oder einfach nur stumpf “Fick dich, Götze”.
Die Hölle.
Natürlich musste Götze damit rechnen, schließlich ist er von Borussia Dortmund zum verhassten Erzrivalen FC Bayern gewechselt. Dennoch wird es eine harte Probe für die Psyche des 21 Jahre alten Mittelfeldspielers gewesen sein.
Die Begrüßung seines ehemaligen Ziehvaters auf dem Rasen Jürgen Klopp fiel mit einer Umarmung einigermaßen herzlich aus, doch der Moment war kurz und wirkte irgendwie verkrampft. Immerhin: Beide lächelten. “Mario hat Bartwuchs bekommen, das ist mir aufgefallen und das habe ich ihm gesagt. Heute ist er Bayern-Spieler, wenn man sich so trifft, ist das unproblematisch”, sagte Klopp danach über die Begegnung emotionslos.
Bei Klopp war Götze gesetzt. Bayern-Trainer, Pep Guardiola, erlaubte sich den Luxus und ließ Götze beim Spitzenspiel zunächst draußen. Aus Schutz? In der zweiten Reihe unter dem Dach der Reserve war Götze weitgehend geschützt vor Kameras und Blicken.
Erst in der zweiten Halbzeit durfte er sich auf seinen Einsatz vorbereiten, etwas ungewöhnlich, in den Katakomben statt vor der Tribüne. Bis in der 56. Minute das Zeichen kam: Einwechslung beim Stand von 0:0 für Mario Mandzukic.
Der Himmel.
Götze war sofort da, schüttelte jegliche Anspannung ab und gab dem nervenaufreibenden Top-Spiel das, was gefehlt hatte: Ein Tor. Mit seinem sechsten Ballkontakt nahm er den Pass von Thomas Müller technisch sauber an und bugsierte den Ball mit einer Kombination aus Pike und Außenrist unhaltbar für BVB-Keeper Roman Weidenfeller ins lange Eck.
Den Jubel verkniff er sich – aus Respekt. Abwehrend hob er die Hände.
Noch ist er als “Joker” am wertvollsten für seinen neuen neuen Verein. In dieser Rolle gelangen ihm bereits zwei Tore und zwei Vorlagen. Spielte er von Beginn an, blieb er blass.
“Mario ist ein unglaublicher starker Spieler. Das ist eine Geschichte, die nur der Fußball schreibt”, wusste Klopp. Guardiola erklärte: “Ich habe ihm gesagt, dass er versuchen soll, viele Ballkontakte zu haben. Mario ist kein physisch starker, aber dafür ein intelligenter Spieler, der gut am Ball ist.”
So oder so: Der Treffer war die Wende in einem Duell auf Augenhöhe, danach erhielt die Moral der Dortmunder einen Knacks, so dass Arjen Robben (85.) und Thomas Müller (87.) noch zwei Tore nachlegen konnten und den Spielstand etwas zu hoch auf 3:0 schraubten.
Götze ging in die BVB-Kabine
Damit sind die Bayern dem BVB enteilt, sieben Punkte Vorsprung hat der Spitzenreiter nun vor den Westfalen, vier auf den Tabellenzweiten Bayer Leverkusen. “Wir sind zufrieden, weil wir gegen die beste Kontermannschaft der Welt gewonnen haben. In den ersten 15 Minuten haben wir sehr gut gespielt, die letzten 30 der ersten Halbzeit nicht. In der zweiten Halbzeit haben wir mit Thiago, Mario Götze, Toni Kroos und Philipp Lahm wieder besser gespielt”, resümierte Guardiola.
Matchwinner Götze wollte hingegen nicht über das Spiel und seine Leistung reden. Nach dem Spiel ging er direkt die Dortmunder Kabine und verbrachte ein paar Minuten mit den alten Kollegen.
Was er ihnen mitteilte, blieb geheim. Einer der ersten Gratulanten soll jedoch Kevin Großkreutz sein. Das sagt viel aus. An den Journalisten ging Götze mit seinem mit schillernden Strass-Steinchen besetzten Rucksack indes einmal mehr wortlos vorbei und genoss im Stillen…
Video: Götze trifft ins BVB-Herz