Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat erneut eine Begrenzung der Zuwanderung gefordert. “Integration wird nur gelingen, wenn die Zuwanderung begrenzt wird”, sagte Seehofer nach einer außerordentlichen Kabinettssitzung. Dies sei “unerlässlich”, da sonst der Rückhalt in der Bevölkerung schwinden werde. “Wir müssen die Bereitschaft erhalten, solidarisch zu sein.”
Konkrete “Notfallmaßnahmen”, etwa die angedrohte Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutsch-österreichischen Grenze, präsentierte Seehofer gemeinsam mit dem bayrischen Innenminister Joachim Herrmann nicht. Stattdessen erneuerte Herrmann die Drohung für den Fall, dass die Situation anhalten wird. “Wenn Schengen und Dublin nicht umgehend eingehalten werden, muss Deutschland Flüchtlinge unmittelbar an der Grenze zurückweisen”, sagte der CSU-Politiker. Dies sei rechtlich durchaus möglich. Sofern der Bund dem nicht nachkommen sollte, behalte sich Bayern eigene Maßnahmen vor, sagte Herrmann. Denkbar sei dabei auch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
Zugleich kündigte Seehofer ein Programm an, mit dem die Integration der Flüchtlinge in Bayern gestärkt werden soll. Dazu sollen 3.772 neue Stellen in Verwaltung, Justiz, Polizei und Bildung entstehen. Allein im Bereich Lehrkräfte seien 1.700 Stellen vorgesehen. Auch die Polizei soll gezielt gestärkt werden. “Damit gewährleisten wir die Sicherheit in unserem Bundesland”, sagte Seehofer, der betonte, keine Ängste schüren zu wollen, zugleich aber wiederholt auf die Gefahren für die Sicherheit hinwies.
Bis Ende 2016 sollen zur Unterstützung der Integration zudem 20.000 neue Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Auch der Bau von zusätzlichen Wohnungen ist vorgesehen. Über ein bayrisches Integrationsgesetz soll zudem ein gemeinsamer Wertekanon und das verbindliche Erlernen der deutschen Sprache geregelt werden. Insgesamt will Bayern 489 Millionen Euro in das Integrationsprogramm investieren. “Wenn Integration nicht gelingt, sind die Hauptbetroffenen die kleinen Leute”, sagte Seehofer.
Justizminister Maas kritisiert Drohung
Die Bundesregierung zeigt sich derweil unbeeindruckt. Die Drohung der Verfassungsklage sei “heiße Luft”, sagte Justizminister Heiko Maas am Rande eines Parteitags der saarländischen SPD in Neukirchen. Es gebe viele praktische Probleme in der aktuellen Situation, die auf Grundlage dessen gelöst werden sollten, was Bund und Länder beschlossen hätten, sagte Maas. “Wir haben keine Zeit, uns mit solchen Verbalattacken auseinanderzusetzen.” Betont gelassen reagierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Er sprach in Erfurt von einer “bayerischen Art und Weise, Dinge vorzutragen”. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sagte in den Tagesthemen der ARD, er glaube nicht, dass es zu einer Klage Bayerns komme. Die Bundesregierung sei zudem “überzeugt, dass wir auf dem Boden des Grundgesetzes handeln”.
In den vergangenen Tagen hatte Seehofer unter Verweis auf die Flüchtlingskrise wiederholt Alleingänge und “Notfallmaßnahmen” angekündigt. Zuletzt war dabei insbesondere im Gespräch, dass Bayern Flüchtlinge nach Österreich zurückschicken könnte. Diesen Schritt drohte die Landesführung jetzt erneut an, auch wenn die Hoheit über den Grenzschutz bei der Bundespolizei und damit beim Bund liegt. “Aber das hindert uns nicht daran, einen Illegalen drei Meter hinter der Grenze verhaften zu lassen”, sagte Innenminister Herrmann.
Österreich fürchtet Ausschreitungen
Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hatte zuvor vor einer Zurückweisung der Flüchtlinge gewarnt. “Sollte Bayern tatsächlich vorhaben, Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben wollen, nach Österreich zurückzubringen, könnte uns eine humanitäre Krise neuen Ausmaßes in Österreich drohen”, sagte Mikl-Leitner. Es seien zudem Ausschreitungen zu befürchten, wenn diese Flüchtlinge nach Österreich abgeschoben würden.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warf Seehofer vor, Torschlusspanik bei den Flüchtlingen zu erzeugen. Wer mit der Zurückweisung von Flüchtlingen direkt an der Grenze drohe, erzeuge den Reflex: “Rette sich, bevor es zu spät ist”, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Seehofer wecke Bedrohungsängste. “Das ist für die Demokratie bedenklich, wenn eine führende Persönlichkeit dauernd neue Vorschläge macht, die mit dem Recht nicht in Einklang stehen.”
Seine Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Seehofer erneut bekräftigt: “In den Flüchtlingslagern in Nahost ist durch falsche Signale aus Deutschland eine Sogwirkung entstanden mit der Botschaft: Die Deutschen wollen ja, dass wir kommen”, sagte Seehofer der Bild-Zeitung. Deshalb müsse Merkel auch ganz klar sagen, dass die Möglichkeiten begrenzt sind. “Einfach sagen: Wir haben Völkerwanderung und kriegen das hin – das wird nicht gelingen”, sagte Bayerns Ministerpräsident. Den Vorwurf, dass seine Kritik die Positionen von Rechtsextremisten
stärken würde, nannte Seehofer absurd. Dazu komme es nicht, wenn man
über Probleme rede, “sondern wenn wir die Probleme der Menschen nicht
lösen”.
Bamf-Zahlen für Januar bis September
Nach aktuellen Zahlen
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kamen von Januar
bis September insgesamt rund 577.000 Flüchtlinge nach Deutschland. Davon
stammen 198.000 aus Syrien. Etwas mehr als 100.000 Menschen kommen aus
Balkanländern, die auf der Liste der sicheren Herkunftsstaaten stehen.
Ein großer Teil der Asylanträge dieser Menschen wird
höchstwahrscheinlich abgelehnt werden.
Im September verzeichnete die Behörde einen besonders starken
Anstieg um 164.000 Menschen. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, würde
die bisher prognostizierte Zahl von 800.000 Flüchtlingen für 2015
erreicht werden. Nicht eingerechnet sind bisher nicht registrierte
Menschen.
Deutschland könne die Grenzen für Flüchtlinge nicht schließen, sagt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Video: