Schlagartig ist Peter Dreier aus Landshut zum wohl bekanntesten Kommunalpolitiker Deutschlands geworden. Der spektakuläre Protest des Landrats aus den Reihen der Freien Wähler gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Politik der offenen Grenzen machte ihn über Nacht zur Berühmtheit: 31 syrische Flüchtlinge schickte er in einem Reisebus nach Berlin – direkt vor das Bundeskanzleramt.
Doch nicht einmal 24 Stunden nach der Ankunft in der Hauptstadt wurde deutlich: Konkrete Verbesserungen hat Dreier für seine Schützlinge nicht erreicht. 29 von ihnen traten den 500 Kilometer langen Weg zurück in den Kreis Landshut an. Einer will in Berlin bleiben, ein anderer weiter nach Bremen reisen. Und sie dürfen dies auch; denn alle haben das Asylverfahren schon durchlaufen und können ihren Wohnsitz selbst wählen.
Tatsächlich war es vor allem Dreiers Anliegen, darauf hinzuweisen, dass der Landkreis besonders mit der Unterbringung dieser Menschen große Probleme hat: Sie werden als “Fehlbeleger” bezeichnet. Eigentlich könnten sie aus den Asylunterkünften in Wohnungen ziehen und damit Platz für Neuankömmlinge machen. Daraus wird aber nichts, denn es gibt keinen Wohnraum für sie, wie Dreier immer wieder betonte. Aber auch Berlin ist mit der Unterbringung von Flüchtlingen so überfordert wie die niederbayerische Provinz.
Entsprechend harsch fiel denn auch die Kritik von Politikern der im Bundestag vertretenen Parteien aus. “Das Instrumentalisieren von Asylsuchenden für eigene PR-Zwecke ist unverfroren und unverantwortlich”, sagte Max Straubinger aus der CSU-Landesgruppe. Es sei ein höchst unsolidarischer Akt, Menschen, für die man zuständig sei, einfach einer anderen Kommune zu überstellen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Landshut, Thomas Gambke, forderte Dreier auf, “zur Sacharbeit zurückzukehren” und mit den Bürgermeistern im Landkreis Flächen für Flüchtlingsunterkünfte auszuweisen. “Hier trägt der Landrat die Verantwortung, die er bei seiner Politshow in Berlin hat vermissen lassen.”
Dreier polarisiert mit seiner Aktion
Berliner Landespolitiker kritisierten die bayerische Aktion ebenfalls mit scharfen Worten. “Diese Art, auf dem Rücken der Flüchtlinge Politik zu betreiben, finde ich ziemlich unerhört”, sagte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) im RBB. Und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) bezeichnete die Protestaktion als unsolidarisch. “Ich erwarte, dass die Bundesregierung da noch klare Worte findet an die bayerische Landesregierung.”
Doch aus der Bevölkerung – nicht nur in Bayern – erhält der aufmüpfige Freie-Wähler-Landrat viel Zuspruch. Ein paar Berliner begrüßten ihn schon am Donnerstagabend vor dem Kanzleramt mit Sprechchören: “Bravo, Landshut!”, “Merkel muss weg!”. Und auf Dreiers Facebook-Seite überschlagen sich die Kommentare. Er wird dort als Mann der Tat gefeiert, der der Kanzlerin endlich Grenzen setze, statt vor ihr zu kuschen.
Aus dem Bundeskanzleramt hatte sich am Donnerstagabend niemand gezeigt. Stattdessen verhandelten Vertreter der Berliner Landesregierung mit Dreier und seinen syrischen Passagieren. Gut zwei Stunden lang, unter den Augen der Hauptstadtjournalisten aus aller Welt. Bis man sich schließlich darauf einigte, die 31 Flüchtlinge für eine Nacht in einer Brandenburger Pension unterzubringen. Der Landrat wollte dies – wie die Fahrt – selbst privat finanzieren. Die angebotene “Not-Notunterkunft” in Berlin habe er nicht akzeptieren können.
Drohen Seehofer unangenehme Folgen wegen des Busausflugs?
Die Kritik weist Dreier zurück: “Mit Flüchtlingen mache ich keine PR. Ich habe die Männer vorher gefragt. Alle haben sich auf Berlin gefreut. Ein Mann hat gesagt, er wolle sein Zahnmedizinstudium in der Hauptstadt fortsetzen”, sagte der Landrat. Es sei eine Verzweiflungsaktion gewesen, weil die Wohnraumkapazitäten für anerkannte Flüchtlinge in seinem Landkreis erschöpft seien. “Wenn ich rechtlich konsequent handeln würde, wären die Flüchtlinge nun obdachlos. Das lasse ich aber nicht zu.”
Für Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) könnte die ganze Angelegenheit noch unbequem werden. Denn er gibt selbst gerne der Widersacher Merkels in der Flüchtlingspolitik. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger nutzt diesen Umstand zur Kritik an seinem großen Widersacher in München: “Seehofer droht immer nur, tut aber nichts.” Natürlich war auch Aiwanger am Donnerstag in die Hauptstadt gekommen, um den Protestbus in Empfang zu nehmen.
Und die Flüchtlinge selbst, wie empfinden sie den Umgang mit ihnen? “Wir sind ein Spielball zwischen Bayern und Berlin. Wir werden eingesetzt, um die Flüchtlingspolitik zu ändern, oder?”, sagte einer der Syrer am Freitagmorgen gegenüber N24. Man fühle sich missbraucht. “In Berlin wird die Situation besser sein für uns, haben sie uns versprochen.” Bei “Zeit online” wird ein anderer Flüchtling zitiert: “Wir wollen ein normales Leben und nicht Teil eines Spiels sein.”