Hinfliegen, gewinnen, Mund abputzen – für den FC Bayern ist der HSV im DFB-Pokal kein ernsthaft gefährlicher Gegner. Auch der durchgeknallte Fan nicht, der Ribéry bestürmt. Müller muss sich dennoch beherrschen.
Gibt es etwas Langweiligeres? Da kommt der Favorit aus München zum Außenseiter nach Hamburg ins mit 57.000 Zuschauern ausverkaufte Stadion – und geht nach sieben Minuten in Führung. Normalerweise müsste jetzt eine Pointe kommen. Zum Beispiel, dass es an diesem Mittwochabend dann doch noch ein total spannendes Fußballspiel war. War es aber nicht. Eine überraschende Wendung gab diese Partie nicht her. Oder besser: Der FC Bayern ließ sie nicht zu. Er gewann völlig humorlos in der zweiten Runde des DFB-Pokals beim HSV mit 3:1 (2:0) und spielt nun Anfang März kommenden Jahres im Achtelfinale gegen den Zweitligisten Eintracht Braunschweig – was bestimmt ungemein spannend wird.
Alles im allem war dieses Zweitrundenspiel also eine unaufgeregte Angelegenheit, was daran lag, dass die überforderten Hamburger vergeblich dem Ball und dem Gegner hinterherliefen, während die Bayern so spielten, wie sie wollten, weil niemand sie daran ernsthaft hinderte. Im Gegenteil: Heiko Westermann lieferte unfreiwillig einen Hinweis darauf, was die Fans des Hamburger Oberligisten Altona 93 meinen, wenn sie bestätigten Gerüchten zufolge die Akteure des Gegners mit einem “Du spielst ja wie Westermann” zu provozieren versuchen. Jedenfalls spielte der Innenverteidiger des HSV vor dem ersten bajuwarischen Tor den Ball nicht wie mutmaßlich intendiert zu seinem Torhüter Jaroslav Drobny, sondern so, dass Thomas Müller ihn bekam. Der übergab an Robert Lewandowski – 1:0 für die Bayern.
Westermann behauptete hinterher: “So etwas ist mir auch noch nie passiert.” Was sie in Altona dazu sagen, ist leider nicht überliefert. Kurz vor der Pause erhöhte David Alaba mit einem feinen Fernschuss auf 2:0, was HSV-Trainer Josef Zinnbauer als “Knackpunkt der Partie” bezeichnete. Zehn Minuten nach dem Wechsel schoss Franck Ribéry dann den dritten Treffer für den FC Bayern. Darauf, dass Pierre-Michel Lasogga fünf Minuten vor dem Ende ein Tor für Hamburg erzielte, gehen wir nicht ein, sonst ginge die Überleitung flöten.
Begegnung der unangenehmeren Art
Ribéry hatte nämlich nach seinem Tor und kurz vor dem Schlusspfiff noch eine Begegnung der unangenehmeren Art. Ein junger Mann flitzte auf den Rasen, auf den französischen Flügelspieler zu, der auf Höhe der Mittellinie mit dem Rücken zu ihm stand, und schlug ihm seinen blau-weißen HSV-Schal ins Gesicht. Danach streckte er Ribéry beide Mittelfinger entgegen, ehe ihn zwei Ordner abführten. Der Bayernprofi machte spontan durchaus den Eindruck, als wolle er diese Attacke nicht ungesühnt lassen und ging mit geschwellter Brust auf den Störenfried zu – doch seine Kollegen hielten ihn zurück. Hinterher gab Ribéry sich versöhnlich. “Ich habe ihn nicht gesehen, war einfach überrascht. So etwas kann im Fußball passieren, kein Problem.” Und überhaupt: “Wir sind im Achtelfinale, das ist wichtig.”
Ähnlich gelassen und nahezu wortgleich kommentierte Klubchef Karl-Heinz Rummenigge die Szene: “Hier sind 60.000 Menschen im Stadion, da kann so etwas schon einmal passieren. Franck hat genau richtig reagiert, indem er sich zurückgehalten hat.” Kapitän Phillip Lahm, ganz Chefdiplomat im Trainingsanzug, versuchte es erst mit einem Ausweichmanöver: “Ich saß auf der Bank.” Schob dann aber nach: “Das so etwas nicht geht, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.” Bedeutend weniger Verständnis brachte hingegen Thomas Müller auf: “Ich weiß jetzt nicht, wie ich das sagen soll, ohne dass ich hier Ärger kriege.” So viel sagte er dann aber doch über den Flitzer: “Ich weiß nicht, ob er das selbst ernsthaft gut findet. Wenn ja, sollte er sich ernsthaft Gedanken machen.”
BVB? “Werden nicht zur Pause mit 5:0 führen”
Dem HSV war das Ganze jedenfalls gehörig peinlich. Pressesprecher Jörn Wolf bat Trainer Josep Guardiola, “Franck Ribéry und den gesamten FC Bayern” um Entschuldigung. Per Twitter ließ der Klub dann noch verlauten: “Das ist nicht der HSV.” Ach Hamburg, meine Perle. Dann ist’s ja gut. Gut waren auch die Bayern. “Wir haben unsere Lektion gelernt”, sagte Guardiola und erinnerte daran, dass es vor sechs Wochen in der Bundesliga an gleicher Stelle nur zu einem 0:0 gereicht hatte. Nun aber zeigten sie erneut, wenn auch nicht ganz so glanzvoll und brutal wie vor einer Woche beim 7:1 in der Champions League bei der AS Rom, einen fast perfekten Auftritt mit zumindest für die Konkurrenz erschreckender Dominanz.
Es sind allenfalls Kleinigkeiten, die das Erscheinungsbild des FC Bayern stören. Die rote Thermojacke, die Guardiola zu seinem dunklen Anzug trug, gehört dazu. Vielleicht noch Müllers heraushängendes Unterhemd. Und das Gegentor. Aber sonst? “Wir waren immer gefährlich und hatten eine ganze Reihe von guten Chancen. Aktuell sind wir in guter Verfassung”, konstatierte Müller. Ansonsten gelte: “Wir wollen auch nicht unbedingt, dass es jemanden gibt, der uns ernsthaft Probleme macht.” Vielleicht der BVB, der am Samstag beim souveränen Tabellenführer in München gastiert?
Müller wollte das nicht ausschließen, auch wenn die Dortmunder die jüngsten vier Spiele in der Bundesliga verloren haben und in der Tabelle auf Platz 15 stehen. Ganz die Profis, die gerade locker, fast im Spaziergang das Achtelfinale erreicht hatten, machten er und seine Kollegen sich daran, den nächsten Gegner stark zu reden. Wie das so ist, wann fast alle drei Tage die nächste Aufgabe ansteht. Dortmund? “Die sind immer schwer zu spielen. Und vielleicht hat es der BVB gegen uns sogar ein bisschen leichter als gegen Mannschaften, die sich erst einmal nur hinten reinstellen. Wir werden nicht zur Halbzeit mit 5:0 führen.” Davon geht auch Lahm nicht aus. “Es treffen am Samstag die beiden Mannschaften aufeinander, die in den letzten Jahren die Meisterschaft unter sich ausgemacht haben.” Na ja, wer weiß? Vielleicht wird es ja am Samstag tatsächlich spannend.
Bilderserie
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Quelle: n-tv.de
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