FC Bayern Topstar Vero Boquete: "Spanien ist Macho-Land"


München – Bayerns neuer Topstar Vero Boquete spricht im Merkur-Interview über schwere Kämpfe, Pep Guardiola, den Jakobsweg – und Fußspuren auf dem Mond.

Sie wurde heuer zum dritten Mal in Serie als Europas Fußballerin des Jahres nominiert und gilt als eine der zehn besten Spielerinnen des Kontinents. Für Veronika „Vero“ Boquete, 28, hat sich der FC Bayern mächtig gestreckt. Im Interview erzählt die Spanierin, welche Ziele sie mit dem Meister verfolgt.


– Veronica Boquete, wie sind Ihre ersten Eindrücke vom FC Bayern?

Großartig, einfach großartig! Es ist alles, wie ich es erwartet habe: Ein großer Klub, alles super professionell – aber jeder ist auch herzlich. Ich fühle mich schon wie zuhause.

– Pep Guardiola soll Sie herzlich empfangen haben – es gab sogar schon gemeinsame Fotos . . .

Ja, das war eine schöne Überraschung. Pep öffnete die Tür und sagte: „Hey, Vero, komm’ rein!“ Es war schön, dass er mich kannte – wenn ich zuhause in Spanien auf die Straße gehe, erkennt mich keiner. Auch Juan (Bernat/d. Red), Thiago und Javi (Martinez/d. Red.) haben mich gleich aufgesucht. Es ist ein super Gefühl, dass einen so große Stars kennen. Das motiviert mich jetzt natürlich noch mehr.

– Stimmt es, dass Sie und Pep Guardiola auch gemeinsame Freunde haben?

Wir haben uns noch nie vorher getroffen, aber wir haben gemeinsame Bekannte, das ist richtig. Es ist lustig, die Welt ist klein, und jetzt sitze ich an einem Tisch mit Pep und rede über Fußball – 95 Prozent meines Lebens waren solche Situationen nur ein Traum.

Vero Boquete: “Pep ist natürlich nur ein Bonus”

– Allerdings war für Sie sicherlich entscheidender, sich mit Ihrem Trainer Thomas Wörle auszutauschen.

Er ist einer Hauptgründe, warum ich hier bin. Pep ist natürlich nur ein Bonus. Wie Tom arbeitet, das ist genau das, was ich möchte. Ich habe in vielen Ligen in Europa gespielt, habe schon viele Titel gewonnen. Aber ich will mehr. Viel mehr. Mehr Titel. In den Gesprächen mit Tom habe ich schnell gemerkt: Der FC Bayern ist mein Team! Ich will hier Teil von etwas Großem werden, eine Ära starten. Es ist ein großer Klub – dennoch ist Luft nach oben. Dieses Projekt ist gerade eines der spannendsten in Europa.

– Haben Sie früher in Spanien schon den FC Bayern verfolgt – oder zählten da nur Real Madrid und der FC Barcelona für Sie?

Nein, ich habe Bayern als Kind auch schon verfolgt. Ich erinnere mich gut – leider muss ich jetzt sagen – an das Finale 1999 in Barcelona gegen Manchester: Ayayay, ein Drama! Hier haben immer die größten Spieler gespielt. Es macht mich stolz, dass ich nun dieses Trikot tragen darf.

– Sie werden zuhause nie auf der Straße erkannt. Wird dieser Wechsel Ihrer Sparte in Spanien zu mehr Popularität verhelfen?

Mir selbst und dem ganzen Frauenfußball in Spanien. An dem Tag, als bekannt wurde, dass ich zu Bayern gehe, gab das riesige Schlagzeilen. Dieser große Verein hilft enorm.

– Als Sie ein Kind waren, musste Ihr Vater beim Verband kämpfen, damit Sie überhaupt spielen durften.

Ja, als ich fünf war, habe ich jeden Tag trainiert. Aber es gab ein Gesetz, dass Mädchen nicht mit Jungs im Spielbetrieb spielen durften. Das war nicht leicht für meine Eltern, einem kleinen Mädchen das so zu erklären, dass es es versteht. Mein Papa kämpfte ein Jahr, dann wurde das Gesetz geändert – das war der Startschuss meiner Karriere. Wissen Sie: Spanien ist ein Macho-Land, auch noch heute. Ich musste viel kämpfen, aber das gibt mir heute die Energie, um Dinge zu verändern.

– Ist es immer noch ein Kampf: Frauenfußball im Macho-Land Spanien?

Es wird besser. Langsam. Ich weiß noch, früher in den Pausen in der Schule haben wir immer Fußball gespielt – aber die Lehrer haben immer mich gerufen: „Vero, Vero, Vero – hör’ auf, Unterricht geht weiter!“ Die Jungs durften immer länger kicken. Heute ist es für mich lustig, Lehrer von damals zu treffen. Weil sie jetzt zugeben müssen: „Oh, Vero hat ihren Weg gemacht!“ Wobei aber bis heute die Wenigsten sagen, sie hatten Unrecht. Das ist aber auch unwichtig.

– Sie kämpfen heute auf höchsten Ebenen für mehr Aufmerksamkeit in Ihrer Branche. Unter anderem als UEFA-Botschafterin.

Ja, das ist mir wichtig. Wir müssen uns entwickeln. Ich liebe es, Mädchen in Ländern zu begeistern, wo Frauenfußball einen schweren Stand hat, sei es aus sozialen, religiösen oder politischen Gründen. Sie hören dir dann zu, mit großen Augen, sie erfahren dann teilweise das erste Mal, dass Fußball eine Chance für sie sein kann. Ich liebe es, Dinge anzustoßen.

Vero Boquete: “Aktuell konzentrieren wir uns auf Europa”

– Wäre es ein Traum, für die FIFA als Botschafter zu arbeiten? In Afrika oder Südamerika besteht ja immenser Aufholbedarf . . .

Definitiv ist das von mir ein großes Ziel. Aktuell konzentrieren wir uns auf Europa, neulich war ich zum Beispiel in Kroatien, habe da Verbandschef Davor Suker getroffen. Aber bei der WM jetzt in Kanada habe ich auch in Vancouver bei einem FIFA-Symposium eine Rede gehalten. Ich will unseren Sport in die ganze Welt hinaustragen.

– Sie haben große Träume, große Ziele. Inwieweit prägt Sie da Ihr Lieblingsbuch „Der kleine Prinz“?

Sätze wie „Sag mir nicht, dass der Himmel die letzte Grenze ist, wenn es doch Fußspuren auf dem Mond gibt“, empfinde ich als sehr inspirierend. Nichts ist unmöglich. Sehen Sie: Ich musste meine Heimat verlassen, weil zuhause kein Platz war, mich im Fußball zu verwirklichen. Ich spielte in den USA, Russland, Schweden, kam nach Deutschland, und das anfangs ohne jede Sicherheiten. Ich habe mir nie verbieten lassen, zu träumen. Meine Mutter hat mir dieses Buch als kleines Mädchen geschenkt. Ich fand es toll, aber erst als ich es später noch mal gelesen habe, habe ich die inspirierenden Botschaften in ihm erkannt. Ich kann das nur jedem Erwachsenen empfehlen, es ein zweites Mal zu lesen. Die Leute werden überrascht sein – versprochen!

– Sie kleben Sätze aus dem Buch an die Kabinentür, um Ihre Kolleginnen zu motivieren. Wird das auch in Bayern so sein?

Vielleicht. Aber das muss passen, ich bin da nicht so missionarisch veranlagt. Aber ich habe ein paar Sätze auch bei mir in der Wohnung platziert, an strategischen Orten: In der Küche, im Bad. Wenn ich müde aufwache, aber ins Fitnesstraining muss, hilft so etwas, um in die Hände zu klatschen und zu sagen: „Ja, los gehts!“

-Sind Sie nun die kleine Prinzessin von Bayern?

(lacht) In den USA haben mich meine Kolleginnen „kleine Prinzessin“ genannt, weil ich mit dem Buch auch Englisch gelernt habe. Und meine Biographie heißt „Kleine Prinzessin des königlichen Spiels“. Aber ich finde, Bayerns Prinzessin sollte eine Bayerin sein.

– Wussten Sie, dass Bayern ein Königreich war?

Ja, das habe ich gehört. Umso wichtiger wäre es, dass die Prinzessin dieses Königreichs aus diesem Land kommt.

– Sie sind eine Spielerin, die viel Fantasie entwickelt in ihrem Spiel. Die Deutschen sind geschult, schablonenhaft schon fast – sind Sie ein Element, das den Unterschied ausmacht?

Es gibt auf jeden Fall unterschiedliche Spielstile. Auch bei den Männern sieht man das ja. Südeuropäer sind vielleicht etwas kreativer, hier in Deutschland ist dafür alles in perfekter Struktur. Wir in Südeuropa, Jungs wie Mädchen, fangen auf der Straße mit dem Fußball an. Kommt ein Auto, musst du dir schnell was einfallen lassen. Oder du musst mal einen Baum umspielen, eine Mauer als Partner nutzen. Das regt die Fantasie an. Aber die Deutschen schätzen es, wenn jemand andere Einflüsse einbringt.

Vero Boquete: “Meine Zukunft ist auf jeden Fall, Trainer zu sein”

– Im Gegensatz zu den Männern steht Spaniens Frauenfußball noch ganz am Anfang. Die WM-Teilnahme in Kanada war die erste in der Geschichte.

Ja, das hängt mit der Historie zusammen – Stichwort Macho-Land. Nach dem Turnier haben wir auch tatsächlich eine kleine Revolution angezettelt. Trainer Ignacio Quereda musste gehen. Er war 27 Jahre im Amt, bei ihm liefen alle Fäden zusammen, aber unter ihm konnten wir nicht wachsen. Dass bei der WM so vieles schiefgelaufen ist, war nur der letzte Tropfen, der das Fass am Ende zum Überlaufen gebracht hat. Wir brauchen Leute, die etwas bewirken wollen und professionell arbeiten. Wir sind eine neue Generation Spielerinnen.

– Werden Sie eines Tages Nationaltrainerin?

Meine Zukunft ist auf jeden Fall, Trainer zu sein. Und natürlich wäre Nationaltrainer das größte Ziel. So wie einst Luis Aragones, der gab den Männern Mut und Glauben.

– Sie wandern bei jedem Titel ein Stück des Jakobswegs – wie weit sind Sie?

Das kann ich gar nicht genau sagen. Aber irgendwann wird es komplett sein, und ich hoffe, dass ich mit Bayern viele Titel hole, um den Weg weiterzugehen. Ich komme aus Santiago de Compostela, dort endet diese Pilgerstrecke. Insgesamt habe ich eine Strecke von 1000 km im Kopf. Jetzt nach der WM war keine Zeit, aber im Dezember kommt das Stück für den Champions League-Sieg mit Frankfurt.

– Javi Martinez kommt aus Ayegui, eine Etappe auf dem Jakobsweg.

Ja, vielleicht geht er mit mir mal ein Stück mit. Ich werde ihn auf jeden Fall besuchen, dann ein Foto machen und nach München schicken.

– Er behauptet, aus dem Brunnen von Ayegui käme statt Wasser Wein, weil er an eine Bodega angeschlossen ist. Hat er Ihnen das schon verraten?

(lacht) Nein. Aber das klingt ja fantastisch! Und das ist ein weiterer guter Grund, den Weg bald weiterzugehen.

Andreas Werner

Andreas Werner

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