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Trainer Pal Dardai findet, seine Hertha habe beim 0:2 “das Optimum rausgeholt”. In der Liga haben die Münchner keine Konkurrenz mehr.
Die milchglasweiße Tür ging auf, Karl-Heinz Rummenigge trat heraus und bog scharf rechts ab, er trug Herrenschuhe mit Gummisohlen, die bei jedem Schritt laut schmatzten auf dem Fußboden im Arena-Keller. Rummenigge war also nicht zu überhören, selbst wenn er diesmal gar nichts sagte. Außer: “Einen schönen Sonntag.” Dann verschwand er um eine Ecke, und nach einer Weile war auch das Schmatzen seiner Schuhe verklungen.
Normalerweise gehen die Bayern hinter der Milchglasscheibe links entlang. Die Verlierer – äh, Pardon: die Vertreter der Gästemannschaft, was meistens aufs Gleiche rauskommt – gehen nach rechts. Man sollte es aber nicht als Zeichen der Solidarität mit dem Rest der Liga missverstehen, wenn auch der Vorstandschef des FC Bayern immer diesen Weg nimmt, diesmal vorbei an ein paar Hertha-Profis, die dort müde an den Absperrungen lehnten. Rechts rum ist halt einfach der schnellere Weg.
Das 2:0 (2:0) der Bayern am Samstagnachmittag gegen Hertha BSC hat wieder viel über die Routine des Gewinnens erzählt: Selbst wenn den Münchnern in Costa, Robben, Götze und Ribéry fast alle Experten für Eins-gegen-eins-Lösungen verletzungsbedingt fehlen, finden sie Lösungen, um eine ultradefensive Abwehrreihe zu überwinden. Im Zweifel köpfeln sie den Ball halt nach einer Ecke ins Tor (34./Müller). Oder sie überlisten ihre lauernd herumstehenden Gegenspieler mit hohem Tempo auf engem Raum wie beim 2:0 von Kingsley Coman (41.), das durch feine Zuspiele von Boateng und Martínez vorbereitet wurde. So destruktiv kann der Gegner gar nicht sein, dass die Bayern ihre Spielfreude verlieren.
Man hat aber auch wieder einiges lernen können über den Leistungsstand einer Bundesliga, in der inzwischen nicht nur Aufsteiger und Abstiegskandidaten, sondern auch ein Tabellenvierter aus der Hauptstadt mit dem festen Vorsatz nach München reist, es dort bloß nicht mit Fußballspielen zu probieren. Fußballspielen? Gegen die Bayern?
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Beim TV-Geld liegen die Bayern in Europa auf Rang 26 – das will Rummenigge nicht akzeptieren
Der Trainer Pál Dárdai ist fast wütend geworden bei dieser Frage: “Wer meint, man muss hier herkommen und Fußball spielen, hat viel Ahnung”, sagte er, und man wusste nicht, ob da nun Ironie oder Fatalismus überwog. Ganz falsch lag Dárdai sicher nicht mit der Einschätzung, seine Elf habe “das Optimum rausgeholt”. Auch wenn es von der Tribüne aus ziemlich falsch ausgesehen hat, wie Dárdais Spieler gar nicht erst versuchten, den Ball an sich zu bringen – vermutlich aus Angst, ihn angesichts des aggressiven Münchner Pressings kurz danach eh wieder zu verlieren.
Kein Fußball ist halt auch keine Lösung. Aber wenn schon der Vierte gegen den Ersten keine Chance hat in einem Profibetrieb von 36 Erst- und Zweitligisten, dann ist man wieder beim Thema Solidarität angekommen, das derzeit die Debatte in den Klubs bestimmt. Denn es kann ja kaum im Sinne der Bayern sein, wenn sie in der Liga nur noch gegen Hasenfüße antreten, nie in Rückstand geraten, kaum gefordert werden – und dann gar nicht richtig vorbereitet sind, wenn es im Frühjahr in der Champions League beispielsweise gegen Madrid oder Barcelona geht. Also: Noch mehr Geld umverteilen, um die nationale Konkurrenz zu stärken? Das ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sich die Bayern längst nicht mehr mit einem deutschen Tabellenvierten im Wettbewerb sehen, sondern mit den feinsten Adressen des Fußballs: Real, Barça, Juve, Chelsea, ManUnited.
Am Samstag in der Arena hat Karl-Heinz Rummenigge dazu nichts gesagt. Am Vorabend auf der Mitgliederversammlung des FC Bayern allerdings viel.
Das Solidarsystem des deutschen Profifußballs heißt “Zentralvermarktung” – und hat es in diesen Tagen nicht leicht. Der Hamburger Kiez-Klub St. Pauli hat gerade beantragt, den von Konzernen oder Mäzenen gestützten Mannschaften wie Leverkusen oder Hoffenheim die Einnahmen zu kürzen. Klar: Weil so mehr für St. Pauli bliebe. Aber auch um zu verhindern, dass es bald noch mehr solcher Investoren-Klubs gibt, wie es der St.-Pauli-Manager Andreas Rettig nun präzisiert hat. Und Rummenigge war bereits beim Bundeskartellamt, um auszuloten, ob man die Zentralvermarktung so umgestalten könnte, dass die Bayern am Ende größere Freiheiten hätten, sich selbst zu vermarkten (SZ vom 27.11.). Wobei es dem Bayern-Chef eindeutig lieber wäre, man müsste die Verteilungskämpfe nicht innerhalb des bestehenden Systems führen, sondern könnte mit dem Produkt Bundesliga insgesamt mehr Millionen generieren – die man dann wieder an alle verteilen könnte. Solidarisch.
“Ich gehe nah ans Mikrofon ran, damit es in Frankfurt auch gehört wird”, so begann Rummenigge auf der Mitgliederversammlung die zentrale Passage seiner Rede: “Ich fordere die Deutsche Fußball Liga eindringlich auf, einen Wettbewerb auf dem Markt für die Übertragungsrechte von Live-Spielen der Bundesliga zu kreieren.” Und: “Die Solidarität mit der Bundesliga möchten wir nicht aufgeben, aber ich sage auch ganz klar: nur unter einer Conditio. Dass die DFL dafür Sorge trägt, dass die deutschen Topklubs international wettbewerbsfähig bleiben können.”
Rummenigge hat dann noch ein Balkendiagramm an die Wand werfen lassen zu der Frage, wo der FC Bayern im europäischen Vergleich bei den TV-Geldern stehen wird, wenn ab der kommenden Saison in der englischen Premier League der neue, milliardenschwere TV-Vertrag in Kraft tritt. Auf Rang 26! Und damit fürs Bayern-Selbstverständnis natürlich etwa 25 Ränge zu weit hinten! Da helfen Rummenigge auch die neuen Münchner Rekordzahlen nichts: 23,8 Millionen Euro Gewinn, mehr als 500 Millionen Euro Umsatz. Welche internationalen Stars wird man in Zukunft noch bezahlen können – als 26.? Welche internationalen Titel gewinnen – als 26.?
“Wir brauchen mehr Geld”, sagt also Karl-Heinz Rummenigge, der Mann, der gerne den schnellsten Weg nimmt. Man kann ihn da verstehen. Die Frage ist nur: Bräuchte es dann noch Spiele wie jenes gegen Hertha BSC?