Stolz, Heimatverbundenheit, auch eine Prise Sturheit: All dies steckt in “Mia san mia”. Dieser Slogan findet sich beim FC Bayern München überall. War der bayerische Ausspruch früher noch als subtiles Merkmal auf der Innenseite des Trikot-Kragens, prangt er heute aussagekräftig auf der Außenseite. Vor allem aber ist er in den sozialen Netzwerken als Hashtag omnipräsent. Ganz selbstverständlich twittert der Verein auch seinen US-amerikanischen oder spanischen Fans das “Mia san mia” entgegen. Doch kritische Stimmen fragen sich: Wie viel ist diese offensiv zur Schau gestellte Verwurzelung mit der Heimat noch wert?
Ganz aktuell macht sich Ottmar Hitzfeld große Sorgen um die “Mentalität” und “zu viele ausländische Spieler” beim deutschen Rekordmeister. Bereits vor einem Jahr war hitzig über ausländische Profis beim deutschen Rekordmeister diskutiert worden, über die angebliche “Spanisierung” durch Trainer Pep Guardiola.
Dazu scheint zu passen, dass der Königstransfer des Sommers mit dem “Mia san mia” nichts anfangen konnte. “Bisher kannte ich es nicht”, gab Arturo Vidal bei seiner Vorstellung an der Säbener Straße in einer Mischung aus Belustigung und Beschämung zu und goss mit dieser vermeintlichen Ignoranz gegenüber des Klub-Mantras Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Doch beim näheren Hinsehen entpuppen sich die Bedenken als nur schwer nachvollziehbar.
“Harter Kern auf Einheimischen wichtig”
“Spieler wie Kroos und Schweinsteiger sind gegangen”, kritisierte Hitzfeld bei Sky: “Dafür kamen Alonso und Vidal, auch sehr gute Spieler, aber man entfremdet sich etwas vom deutschen Markt, da sehe ich ein Problem.” Der 66-jährige TV-Experte sehe “einen Trend, dass man vielleicht zu viele ausländische Spieler holt und die deutsche Mentalität etwas verloren geht”.
Vor allem der Abgang von Bastian Schweinsteiger sorgte für solch lautes Granteln unter den Bayern-Anhängern, dass sich ein anderes Eigengewächs zum Mahner berufen fühlte. “Ich glaube, es ist wichtig, dass ein harter Kern an einheimischen Spielern da ist”, sagte Thomas Müller zu “Goal.com”: “Für den Verein und die Fans muss darauf geachtet werden, dass die Identität des Klubs nicht verloren geht.”
Konstante Deutschquote an der Isar
Vergleicht man jedoch Guardiolas Kader mit Hitzfelds damaligem Team, entpuppen sich die Sorgen des Ex-Trainers als unbegründet, um nicht zu sagen: an den Haaren herbeigezogen. Zur ersten Mannschaft gehören derzeit 16 ausländische Profis, das entspricht rund 55 Prozent. In der Saison 2000/2001, als Hitzfeld mit dem FCB die Champions League gewann, lag dieser Anteil mit 50 Prozent nur unwesentlich darunter. Deutsche in Bayerns Startelf im Finale der Königsklasse 2001: vier.
Dem “Trend” zu vieler ausländischer Spieler lässt sich also nicht wirklich nachspüren. Der Anteil heimischer Spieler bewegte sich in den letzten Jahren stets bei etwas weniger als der Hälfte. So setzte sich auch das Triple-Sieger-Team 2012/2013 unter Jupp Heynckes aus 46 Prozent deutschen und 54 Prozent ausländischen Kickern zusammen. Ein Verhältnis, das auch innerhalb der Bundesliga den ungefähren Durchschnitt darstellt.
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Wann sind es “zu viele Ausländer”?
Bereinigt man die Statistik vom krassen Außenseiter SV Darmstadt 98, der auf nur vier Legionäre setzt, ergibt sich für die 17 restlichen Klubs eine durchschnittliche Ausländer-Quote von rund 50 Prozent. Mit 55 Prozent liegt der FC Bayern hierbei zwar über dem Schnitt und insgesamt weit oben, aber nicht an der Spitze.
Relativ haben der VfL Wolfsburg (59 Prozent), der Hamburger SV (60) und Borussia Mönchengladbach (60) weniger deutsche Profis. Doch heißt das nun, dass diese Teams “zu viele ausländische Spieler” haben, wie Hitzfeld bei Bayern vermutet? Ab welchem Prozentsatz sind es “zu viele”?
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Fan-Lieblinge aus Frankreich, Italien oder Ghana
Die so vehement geforderten Identitätsfiguren müssen nicht zwangsläufig Deutsche sein. Nur ein Beispiel der jüngsten Bundesliga-Geschichte: Beim 1. FSV Mainz 05 war mit Nikolce Noveski acht Jahre lang ein Mazedonier Kapitän und verließ den Klub im Mai unter Tränen als Publikumsliebling. Auch in der Münchner Arena jubeln und klatschen die meisten Fans seit jeher nicht nur bei gebürtigen Memmingern, Gelsenkirchenern oder Berlinern.
Das lang gezogene “Willy” für Sagnol, die innige Liebe zum “Rot-weiße Trikots”-singenden Sammy Kuffour, die bis heute durchs Stadion hallenden “Ribéry”-Rufe, der kollektive Ohrendreher-Jubel, wenn mal wieder Luca Toni traf – der gebürtige Oberbayer Müller sagte es selbst trotz seines Pochens auf “einheimische Spieler” ganz richtig: “Im Endeffekt entscheidet, wie viel Qualität ein Spieler hat.”
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“Wos wui der Bimbo bei uns?”
Zu welchen Auswüchsen dieses absurde Pochen auf möglichst viele deutsche Spieler führen kann, verdeutlicht womöglich folgende Anekdote: “Himmeherrgodnoamoi, was spuit der do zam?” Gemeint war Douglas Costa, der soeben einen Fehlpass fabrizierte und den Zorn eines Bayern-Fans auf sich zog. Im einheimischen Dialekt grantelte der auch an seinem Outfit als Bayer zu erkennende Mann auf der Tribüne des Supercups in Wolfsburg los.
Soweit, so urig – bis er einen verstörenden Satz nachschob: “Wos wui der Bimbo bei uns?” Und so lassen sich dieser Abgesang auf eine sogenannte “deutsche Mentalität” und diese Furcht vor und Wut auf “Spanisierung” oder “zu viele ausländische Spieler” nicht anders beschreiben als grober Unfug. Zumal besagter Fan nur wenig später lautstark über Costas Vorbereitung zum Führungstor jubelte.