Tuttlingen-Möhringen / sz Vier sehr verschiedene Künstler sind beim ersten Abend des Kleinkunstwettbewerbs Tuttlinger Krähe aufgetreten – einer stach aber heraus.
Er heißt Werner Momsen, er ist Hamburger, er ist Klappmaul-Komiker und er hat am ersten Krähe-Abend eine verdammt schwere Aufgabe: Er muss einen Wirtschaftswissenschaftler, einen Liedermacher, einen Schauspieler und eine bayerische Klamaukgruppe unter einen Hut bringen. Oder auf eine Bühne. Was hat diesen Norddeutschen, der „acht Stunden lang aufs Wasser gucken kann, ohne sich was dabei zu denken“, nur geritten, den Moderatorenposten für einen Kleinkunstwettbewerb im südlichen Süddeutschland zu übernehmen? Wahrscheinlich die Überzeugung: Ich kann’s.
Er kann’s tatsächlich, der Mann mit der Knubbelnase, der eigentlich ja nur eine Stoffpuppe ist – was eigentlich aber auch egal ist, weil spätestens in einer der witzigsten Umbaupausen aller Zeiten allen egal ist, wer eigentlich in dem schwarzen Anzug steckt, der die Puppe lenkt. Der Norddeutsche kommt beim Publikum gut an, und er schlägt nicht nur die Zeit zwischen den Auftritten tot, sondern auch die Brücke für jeden Künstler auf die Bühne – nur schafft es nicht jeder, elegant drüber zu gehen.
Schwäbische.de hat alles Wichtige zur Verleihung des Kleinkunstpreises “Krähe” in Tuttlingen. mehr…
Hans Gerzlich – Abrechnung mit der Wirtschaft
Wäre die Wirtschaftskrise nicht von selbst gekommen, hätte Gerzlich wohl alles daran gesetzt, sie selbst hervorzurufen – nur weil er so gern Witze darüber macht. Jetzt, in den Nachwehen der vielen Pleiten, setzt er sich auf die Bühne wie auf eine Parkbank, holt genüsslich die Zeitung hervor und holt mit böser Zunge zum Gegenschlag aus. Auf die Banken hat er es abgesehen, die Politiker und am schlimmsten: die Wissenschaftler. Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut zum Beispiel. Den würde Gerzlich am liebsten in einen Keller sperren mit Mini-Jobbern und Sozialhilfeempfängern „und dann mal gucken, was beim freien Spiel der Kräfte rauskommt!“
Gerzlich mischt inhaltlich auf hohem Kabarett-Niveau mit. Im halbstündigen Krähe-Programm fehlen aber die ganz großen Spitzen und Lacher – vielleicht liegt es auch an der schweren Bürde, der erste Kandidat zu sein.
Tilman Birr – der Langzeitstudent
Bei Tilman Birr stellt sich nach ein paar Minuten die Frage: falsches Publikum oder falsches Programm? Sie ist nicht schlecht gemacht, seine Kombination aus Slam Poetry, Musikcomedy und kleinen Ausflügen ins politische Kabarett. Und die Witze über Youtube-Kommentare, Facebook, ein Song über Berufsanfänger und eine durchaus sozialkritische Parodie auf den Film Amélie hätten in einer Studentenkneipe in Berlin sicherlich gezündet. In der Angerhalle reichen sie nicht mal, um die Glut ein wenig aufflackern zu lassen.
René Sydow – ein Mann wie ein Theaterstück
Rennt wie ein Bekloppter von einem Ende zum anderen, fuchtelt mit den Armen und schafft es trotzdem, seine Gedanken soweit zu sortieren, dass er über Politiker herziehen und gelegentlich das Publikum sogar betroffen machen kann – das ist René Sydow. Und er sagt: „Kabarett ist nicht da, wo am lautesten gelacht, sondern da, wo am lautesten gedacht wird.“ Sydow eilt von böse („Früher hielten Fürsten sich Hofnarren, heute halten sich Banken Politiker“) über hintersinnig („Wer denkt bei Google noch an hupf?“) bis deutlich unter die Gürtellinie („Ein Mann mit einem guten Kriecher, der wartet auf die Vakanz im Arschloch.“). Der ganze Auftritt erinnert an ein Ein-Mann-Theaterstück – auch weil Sydow spricht wie ein Schauspieler – und ist die Glanzleistung des Abends.
Monaco Bagage – die abgedrehten Pseudo-Bayern
Bayerisches Gute-Laune-Musik-Klamauk-Comedy-Kabarett mit Mitmach-Elementen, so könnte man die Monaco Bagage vielleicht beschreiben. Zwar sind zwei Musiker gar keine Bayern, das hält sie aber nicht davon ab, bei Liedern wie „Auch der größte Kommunist wird im Erbfall zum Faschist“ kräftig das „R“ zu rollen. Auch weil es die Bagage instrumental mächtig drauf hat, steht sie auf der Verdachtsliste für den Publikumspreis weit oben.
(Aktualisiert: 09.04.2014 19:14)