Nach dem schweren Zugunglück in Oberbayern mit zehn Toten am Dienstag rechnet die Polizei nicht mit weiteren Todesopfern. „Es wird niemand mehr vermisst“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd am Mittwoch. Bei neun Todesopfer handelt es sich um Männer im Alter zwischen 24 und 59 Jahren. Alle stammen aus den Landkreisen Rosenheim und Traunstein, wie die Polizei mitteilte. Bei einer getöteten Person stehe die Identität noch nicht sicher fest. Nachdem alle Personalien abgeglichen worden seien, dürfte sich kein Opfer mehr in den beiden Zügen befinden: „Es wird keine elfte Leiche geben.“ Ein Polizeisprecher war zudem optimistisch, dass alle Verletzten überleben werden: „Wir dürfen optimistisch sein.“ Zuvor hatte es Spekulationen um ein elftes Todesopfer gegeben.
Nach dem Unglück in Bayern stellt sich die Frage nach menschlichem oder technischem Versagen. Doch um welche Technik geht es überhaupt?
In Bad Aibling konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf die Suche nach der genauen Unglücksursache. Erste Ermittlungen hatten ergeben, dass die Tragödie durch menschliches Versagen ausgelöst worden sein könnte. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstagabend aus zuverlässiger Quelle. Auch andere Medien berichteten darüber. Gegenüber unserer Redaktion hatte ein Sprecher der zuständigen Polizei in Rosenheim jedoch die Spekulationen zurückgewiesen und gesagt: „Wir wissen nicht woher die Informationen stammen – aber definitiv nicht von uns.“
Polizei durchsucht Räumlichkeiten des Stellwerks
Polizeibeamte hatten am Mittwoch die Räume des Stellwerks in Bad Aibling durchsucht. Von dort aus steuern und überwachen die Fahrdienstleiter den Verkehr in der Umgebung. Sowohl Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verwiesen am Mittwoch darauf, dass noch nicht klar sei, ob menschliches oder technisches Versagen ursächlich für die Katastrophe sei.
Am Dienstag waren die zwei Nahverkehrszüge auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim bei hohem Tempo frontal ineinander gekracht. „Der eine Zug hat sich förmlich in den anderen hineingebohrt und die Kabine des zweiten Zuges komplett auseinandergerissen“, hatte ein sichtlich betroffener Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt am Dienstag gesagt. Es war das schwerste Zugunglück in Bayern seit mehr als 40 Jahren. Rund 80 Menschen wurden verletzt, davon 17 schwer.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) besuchte Bad Aibling einen Tag nach dem Unglück. „Eine Tragödie für das ganze Land, Bayern trauert“, sagte er. Seehofer erklärte, dass auch er keine neuen Erkenntnisse zur Unglücksursache präsentieren könne, kündigte jedoch an: „Es muss aufgeklärt werden und es wird transparent aufgeklärt, das sind wir den Betroffenen schuldig“. Auch Bahn-Chef Rüdiger Grube besuchte den Unfallort im Kreis Rosenheim und machte sich ein Bild von der Unglücksstelle
Rettungskräfte hatten am Vormittag Kränze an der Unglücksstelle niedergelegt, im Rathaus liegt ein Kondolenzbuch aus. Auch Bahn-Chef Rüdiger Grube will den Unfallort im Kreis Rosenheim besuchen. Auch wenn die verunglückten Züge von einem privaten Unternehmen betrieben werden, ist die Bahn-Tochter DB Netz für die Sicherung der Strecke verantwortlich. Auf einer Pressekonferenz am Dienstag hatte ein Bahn-Sprecher gesagt, dass die Strecke zwischen Rosenheim und Holzkirchen in der vergangenen Woche überprüft worden sei und damals einwandfrei funktioniert habe.
Bergung dauert mindestens zwei Tage
Die Bergung der Unglückszüge wird nach Einschätzung der Rettungskräfte noch mindestens zwei Tage dauern. „Die Bergung der Regionalzüge in Bad Aibling kommt schrittweise voran“, teilte die Bahn mit. Die ineinander verkeilten Züge sollen getrennt und dann in Teilen geborgen werden. Zwei Spezialkräne aus Fulda und Leipzig waren dafür nach Oberbayern gefahren. Die Notfallkräne haben nach DB-Angaben eine Tragkraft von 160 und 60 Tonnen. Die geborgenen Teile sollen nach Kolbermoor und Bad Aibling transportiert werden. Anschließend soll die Fahrbahn repariert und die Oberleitung wieder montiert werden.
Zunächst sollten Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) mit Spezial-Schneidegerät versuchen, die Triebköpfe auseinanderzuschneiden und danach die Züge voneinander zu trennen. Ungefähr hundert Helfer waren im Einsatz. Ein weiterer Kran aus Leipzig mit einer Tragkraft von 75 Tonnen steht auf Abruf bereit. Die Bergung am Ufer des Flusses Mangfall gestaltet sich schwierig, weil der Boden nicht jede Kranart trägt. Auf der Rückseite der Bahnstrecke befindet sich ein bewaldetes Gebiet, das für schweres Gerät kaum zu durchqueren ist.
37 Kilometer lange Strecke bleibt gesperrt
Rund 700 Rettungskräfte hatten sich am Dienstag um die Verletzten gekümmert. Zum Teil zogen die überwiegend ehrenamtlichen Helfer die Opfer auch in Bergungssäcken mit Winden an den Hubschraubern hoch und flogen sie an das andere Ufer der Mangfall. Die 37 Kilometer lange Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim wurde nach dem Unglück komplett gesperrt. Wann die Strecke wieder geöffnet werden kann, war zunächst unklar. (dpa/ac)
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