Düsseldorf: Die Rückkehr des Märchenkönigs

Düsseldorf (RP). Das Leben des bayerischen Monarchen Ludwig II. ist ein üppiger Stoff. Nach Weihnachten läuft eine Neuverfilmung an.

Er ist aus der Welt in die Kunst geflüchtet, und die Musik Richard Wagners bahnte ihm den Weg. In den Opern des romantischen Komponisten und politischen Revolutionärs konnte sich Ludwig II., König von Bayern, in die Rollen der Ritter und Helden träumen, ihr romantisches Schicksal durchleben. Aus dem eigenen gab es kein Entrinnen. Er war erst 18 Jahre alt, als der Vater 1864 starb und die Bürden der Regentschaft an ihn vererbte. Schon zwei Jahre später sollte Ludwig Kriegsfürst sein, seine Truppen mobil machen, sie in den Krieg gegen Preußen schicken. Der junge bayerische König aber war ein sensibler Schöngeist, ein versponnener Kunstmensch und Pferdenarr. Er wollte nicht verantwortlich sein für den Tod anderer Menschen. Lieber wollte er Burgen bauen – seine Luftschlösser zu Stein werden lassen, so märchenhaft wie Neuschwanstein.

Die Biografie eines Monarchen, der in die Kunst flüchtet und Kitsch produziert, der einem der größten deutschen Komponisten Unterschlupf gewährte und seine Opern uraufführen ließ, ist großer Kinostoff. 1955 krönte Helmut Käutner O. W. Fischer zum Bayerischen König, 1972 folgte ihm Luchino Visconti, der selbst aus dem italienischen Hochadel stammte. Er machte seinen Lebensgefährten Helmut Berger zu seinem Ludwig. Drehte mit ihm ein modernes und doch prunkvolles Kammerspiel über einen avantgardistischen Absolutisten, der sich souverän entschloss, seine Macht in den Dienst der Kunst zu stellen. Der Film ist eine Erforschung der Titelfigur, kein klassischer Kostümstreifen. Und weil sich Visconti für die homosexuellen Neigungen des Königs interessierte, löste der Film in Bayern Proteste aus und wurde für den deutschen Markt zurechtgeschnitten.

Nun machen sich die Autorenfilmer Peter Sehr und Marie Noelle erneut an das Leben des Märchenkönigs. Gleich nach Weihnachten soll die Biografie eines unzeitgemäßen Monarchen mit Hang zur Maßlosigkeit die Leute ins Kino locken. Ludwig II. wurde ja in eine Zeitenwende geboren. In die Epoche des erstarkenden Bürgertums, der Industrialisierung, der Preußen. Doch der Schwärmer wollte kein Realpolitiker sein, also zog er sich auf seine Schlösser zurück, regierte von dort aus über seine Gesandten.

Das wird in der neuen Ludwig-Verfilmung mit großer Ausstattungssorgfalt nacherzählt, allerdings ohne größeres Interesse für die gesellschaftlichen Hintergründe. Wagner tritt auf als Revolutionär mit Samtkappe, doch was genau ihn in Bayern so verhasst macht, bleibt verschwommen. Leider wird der Komponist von Edgar Selge gespielt, der nicht in die historische Rolle findet. Sein Wagner ist ein verkleideter Edgar Selge, der sich nicht entscheiden kann, welchen Dialekt er sprechen möchte.

Unverbraucht ist das Gesicht des Ludwig-Darstellers: Sabin Tambrea. Der hat bisher vorwiegend Theater gespielt. In Hagen ist er aufgewachsen, hat dort im Jugendtheater erste Erfahrung gesammelt, ehe er nach Berlin ging, erst an die Schauspielschule, dann zu Peymann ans Berliner Ensemble. Tambrea sieht aus wie der junge Ludwig auf historischen Gemälden, er hat reiten gelernt und strahlt eine gewisse sensible Überspanntheit aus, die gut zur Rolle passt. Doch er hat auch etwas Musterschülerhaftes, das ein wenig verkrampft wirkt. Allerdings mag das auch daran liegen, dass er in einem Film spielt, der keine Haltung entwickelt, keine neue Idee zu Ludwig. Vielmehr wird eine Biografie bebildert – schlackenlos, ohne verschwörungstheoretisches Geraune immerhin –, doch die brave Nacherzählung langweilt irgendwann.

Ab und zu hat Hannah Herzsprung kleine Auftritte als süße Sissi-Wiedergängerin. Sie spielt Kaiserin Elisabeth von Österreich, die ältere Schwester jener Sophie von Bayern, der Ludwig in einem romantischen Anflug die Ehe versprach, ohne sie je einzulösen. Hannah Herzsprung sieht Romy Schneider überraschend ähnlich, doch hat sie nicht den Schmelz ihrer großen Vorgängerin. Auch spielten Frauen in Ludwigs Leben keine besonders große Rolle, also gibt es nicht allzu viel Rüschengeraschel in dieser Verfilmung, dafür den König stolz zu Pferd.

Kurz vor Ende machen Sehr und Noelle dann noch einen großen Zeitsprung, und Sebastian Schipper übernimmt die Rolle des Monarchen. Der macht seine Sache gut, doch hätte man Tambrea ruhig zutrauen sollen, seine Rolle bis in die totale Verzweiflung zu steigern, die Ludwig II. schließlich in den Starnberger See trieb. Das erzählt der Film ohne pathetischen Kitsch. König Ludwig in den Händen seiner Psychiater ist endlich in seiner Gegenwart angekommen – und kann darin nicht überleben.

Das ist ein Ansatz, aber er kommt spät. ll

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