Dieser Bayer zieht alle über den Tisch

Brauchtum

Josef Utzschneider ist Bayerns bester Fingerhakler. Er braucht kein Fitnessstudio, um seine Muskeln zu trainieren.

Von Paul Winterer und Angelika Warmuth, dpa

  • In der Schreinerwerkstatt seines Bruders trainiert Fingerhakler Josef Utzschneider für die Wettkämpfe. Foto: dpa

Ohlstadt.Sie treten immer wieder gegen ihn an – und immer wieder verlieren sie. Seit 2007 hat Josef Utzschneider nicht einen Wettkampf mehr verloren. „Damals wurde ich das letzte Mal Zweiter“, erzählt der 32-Jährige aus Ohlstadt bei Garmisch-Partenkirchen. Utzschneider ist der beste Fingerhakler, den es derzeit gibt. Er räumt regelmäßig bei der Bayerischen, Deutschen und Alpenländischen Meisterschaft alles ab, was es an Preisen zu gewinnen gibt.

Dass es sich bei dem Jahrhunderte alten Wettkampf um Kraftsport handelt, sieht man dem Lkw-Mechaniker an. Unter dem T-Shirt wölben sich dicke Oberarmmuskeln. Utzschneider misst 1,86 Meter, sein Händedruck ist kräftig, er bringt gute 90 Kilo auf die Waage. Die braucht er auch, um im Schwergewicht, der Königsdisziplin, antreten zu können.

Mit sechs Jahren der erste Kampf

Das Fingerhakeln hat Tradition bei den Utzschneiders. Schon der Vater war einer der besten seiner Zunft und nimmt auch mit inzwischen 68 Jahren noch erfolgreich an Turnieren teil. Sohn Josef schaute bereits als Kind bei Wettbewerben zu. Mit sechs Jahren nahm er in der untersten Schülerklasse zum ersten Mal selber an einem Wettkampf teil. „Seitdem ist es eigentlich immer gut gegangen“, erinnert er sich. Bald gewann er die ersten Turniere. Und irgendwann waren die schlechtesten Platzierungen, wenn er zweiter Sieger wurde.

Zum Aufwärmen macht Utzschneider Klimmzüge an den Fingern. Foto: dpa

Der Erfolg hat freilich seinen Preis. Zweimal die Woche trainiert Utzschneider je eine Stunde. Inmitten der mit Maschinen vollgestellten Schreinerwerkstatt seines Bruders steht ein alter Holztisch, davor ein Hocker. Der 32-Jährige montiert erst eine Umlenkrolle an der Tischplatte und zieht ein Seil durch, an dem ein zentnerschwerer Steinblock befestigt ist. Am anderen Ende hängt die Lederschlaufe, die bei Turnieren die Mittelfinger beider Wettkämpfer verbindet.

Als wäre es nichts, zieht Utzschneider dann am lederumnähten Haklerring aus mehreren Wicklungen Paketschnur und hebt den Stein in die Höhe – immer und immer wieder. Als Aufwärmübung hat er zuvor Klimmzüge gemacht – natürlich ausschließlich mit den beiden Mittelfingern. „Andere haben halbe Fitnessstudios zum Krafttraining“, sagt Utzschneider. „Aber das brauche ich nicht.“

Training mit Bier und Volksmusik

Beim Training am Abend geht es lustig zu. Freunde und Mitglieder des Ohlstädter Haklervereins sind da, es wird gefachsimpelt und zu Volksmusik aus dem Radio die eine oder andere Halbe Bier getrunken – Männertreffpunkt der besonderen Art. Das Fingerhakeln ist nach wie vor Männersache. Lediglich zum Spaß nehmen manchmal auch Frauen teil.

Utzschneider findet es schade, dass sein Hobby oft als bayerische Biergaudi belächelt wird: „Fingerhakeln ist eine echte Sportart.“ Es komme darauf an, die Muskelkraft innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde umzusetzen. „Das Reaktionsvermögen spielt eine große Rolle.“ Oft sitzt Utzschneider Männern gegenüber, „die mehr Kraft haben als ich, aber das allein hilft nicht. Dreh- und Angelpunkt ist ein gut trainierter Mittelfinger.“

Der Ring, der die Finger verbindet, ist mit Leder umwickelt. Foto: dpa

Meistens zieht der ungekrönte König der Fingerhakler seine Gegner innerhalb weniger Sekunden im wahrsten Sinne des Wortes über den Tisch. Ein Wettkampf kann aber auch 30 Sekunden und länger dauern. „Das kommt einem dann vor wie eine halbe Stunde.“ Auch blutige Verletzungen der Haut am Mittelfinger sind nicht selten. Gewonnen hat derjenige, der die „Vorderkante des Zugfingers seines Gegners“ – so die Regel – über die Auslinie an seiner Tischkante gezogen hat. Der Schiedsrichter wacht darüber. In den Statuten sind Tischmaße und selbst die Höhe des Hockers festgelegt: 48 Zentimeter und nicht mehr.

Nachwuchs ist schon interessiert

Ehefrau Vroni begleitet ihren Mann gerne auf Turnieren. „Ich hab’ ihn ja so kennengelernt“, sagt die 30-Jährige über den Sport ihres Mannes. „Ich bin schon stolz auf ihn.“ Der dreijährige Sohn interessiert sich auch schon fürs Fingerhakeln. Mutter und Oma üben bereits spielerisch mit dem Kleinen, damit auch er den seit dem 17. Jahrhundert überlieferten Wettkampf fortführen kann. Einst trugen Männer auf diese Weise einen Streit aus. Mit sechs Jahren wird er wohl wie sein Vater auch am ersten Turnier teilnehmen und sich kräftig ins Zeug legen, wenn es wieder heißt: „Beide Hakler fertig – zieht.“

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