Die wechselvolle Geschichte der NPD in Bayern


Die rechtsextreme NPD, deren Verbot durch das Bundesverfassungsgericht nun in greifbare Nähe rückt, ist in Bayern nur eine von mehreren rechtsextremen Kleinparteien und – nach Lage der Dinge – nicht einmal die aktivste.

Das legt die aktuelle Bewertung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nahe. Die Partei hat in Bayern 700 Mitglieder, weniger als noch 2013 (850) und 2014 (800). Bundesweit sind es 5000 Mitglieder, auch hier mit leicht sinkender Tendenz. Auch die aktuelle Flüchtlings-Diskussion hat der Partei keinen Zulauf gebracht.


In ihrer Blütezeit Ende der 1960er Jahre hatte die NPD fünf Mal so viele Mitglieder und war in mehreren Landtagen vertreten, allerdings nie im Bundestag. Auch in Bayern gelang 1966 der Sprung ins Maximilianeum. Unter ihrem ersten Vorsitzenden Franz Florian Winter (1923-2010), einem streng gläubigen Katholiken, der am Tegernsee eine Wurstfabrik betrieb, wurde die NPD in Bayern mit 7000 Mitgliedern damals der größte Landesverband in Deutschland. In dieser Zeit nahm das Auftreten der Partei beängstigende Formen an. Schlägereien mit Gegendemonstranten (etwa 1969 im Flötzinger-Keller Rosenheim) waren nicht selten. Bei einer Podiumsdiskussion 1970 in Starnberg mobilisierte die NPD 150 Anhänger, die die Veranstaltung gezielt störten. Obwohl Winter die Partei im Streit verließ, erzielte sie nach einem aufwändigen Wahlkampf mit geschätzt 2000 Versammlungen 7,4 Prozent und zog mit 16 Abgeordneten ins Maximilianeum ein. Sechs der Abgeordneten hatten vor 1945 der NSDAP angehört, zwei davon schon vor 1933, schreibt der Historiker Thomas Forstner. „Sieben NPD-Parlamentarier waren Heimatvertriebene.“ Es ist auffällig, dass die NPD in den Vertriebenengemeinden erfolgreich war – etwa in Neu-Gablonz (23,1 Prozent) und in Geretsried (16,8). Im Landtag stellte die Partei skurrile Anträgen wie etwa, Theater von obszönen Stücken zu säubern. Außerdem forderte sie „Maßnahmen zur Verwurzelung des Bewusstseins der Einheit Deutschlands im Volk“.

Bei der nächsten Wahl 1970 schaffte es die Partei unter ihrem Vorsitzenden Benno Hermannsdörfer, Jurist am Bundespatentamt, mit nur 2,9 Prozent nicht erneut in den Landtag. Ein Grund dafür war, dass die Union seit 1969 in Bonn Oppositionspartei war, gegen die Ostpolitik Willy Brandts agitierte und so ganz rechts kaum mehr Platz blieb. Hermannsdörfer war schon vor der Wahl zur Bayernpartei übergetreten. Danach versank die NPD in der Bedeutungslosigkeit, bei den Landtagswahlen 1978 und 1982 errang sie noch je 0,6 Prozent, 1994 waren es nur 0,1 Prozent, 2008 dann 1,2 und 2013 0,6 Prozent.

Die Partei habe heute „erhebliche Probleme, größere Veranstaltungen auf die Beine zu stellen“, sagt der Sprecher des Landesamts, Markus Schäfert. Ein Grund ist wohl das schwebende Verbotsverfahren, das die Partei zumindest rhetorisch zur Mäßigung zwingt. So ist in diesem Jahr der politische Aschermittwoch der NPD ausgefallen, ebenso ein schon angekündigter „Bayerntag“. 2015 trat die NPD nur selten auf – etwa mit Ständen in der Tölzer Innenstadt oder mit einer Mini-Pro-Russland-Demo in Freising mit 14 Teilnehmern. Zudem macht ihr am rechten Rand Konkurrenz zu schaffen – Rechtsextremisten wie Philipp Hasselbach und Neonazis des verbotenen „Freien Netz Süd“ haben in Bayern die radikalen Kleinstparteien „Die Rechte“ und „Der Dritte Weg“ aufgebaut. Der jetzige NPD-Landesvorsitzende Franz Salzberger, ein Niederbayer, sei „im Grunde nicht wahrnehmbar“ und werde auch innerhalb der NPD als „Verlegenheitslösung“ betrachtet. Gleichwohl stuft das Landesamt die NPD als fremdenfeindlich, rassistisch, antisemitisch und völkisch und somit klar verfassungsfeindlich ein.

Die Gefährlichkeit der Partei heute lässt sich kaum an den bescheidenen Wahlergebnissen oder Mitgliederzahlen ablesen. Die NPD ist – wenn auch im kleineren Maßstab als in Ostdeutschland – häufig assoziiert mit radikalen Kräften. Es gibt wechselseitige Mitgliedschaften mit gewaltbereiten Kameradschaften, auch die Grenzen zwischen NPD-Mitgliedern, Neonazis und sogar kriminellen Rockerbanden sind fließend. Ein Beispiel dafür ist das NPD-Vorstandsmitglied Sascha Roßmüller, der an einer Schlägerei der Regensburger „Bandidos“ beteiligt war und derzeit angeklagt ist. Ein anderes Beispiel: der oberbayerische NPD-Bezirksvorsitzende Matthias Polt, der in Murnau einen „Versand der Bewegung“ betreibt. Via Internet ist bei ihm fast alles zu haben: Szene-Kleidung der Marke Thor Steinar, CDs des NPD-Barden Rennicke, Fahnen, bedruckte Tassen und T-Shirts (für Frauen mit der Aufschrift „Nazibraut“). Auch „braunes“ Bier gibt es – Marke „Wikinger Bräu“. Polt, der rechtskräftig verurteilt ist, verbinde „geschäftliche Interessen mit Partei-Aktivität“, heißt es beim Verfassungsschutz. 

Dirk Walter

E-Mail:dirk.walter@merkur.de

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