„Die CSU macht die AfD salonfähig“

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SPD-Generalsekretärin Kohnen attestiert CSU in der Asylpolitik gefährliche Wege. Bei der Energiewende macht sie eine Offerte.

Von Christine Schröpf, MZ

In der bayerischen SPD auch zuständig für die Abteilung Attacke: Generalsekretärin Natascha Kohnen. Foto: Schönberger

Regensburg.19-Prozent-Umfragen für die bayerische SPD – doch Generalsekretärin Natascha Kohnen lässt sich davon nicht kirre machen. „Das hüpft mal da hin und hüpft mal dort hin“, sagt sie mit Blick auf die nächsten Umfragen. Auch die kürzlich sehr deutlichen Worte des früheren SPD-Spitzenkandidaten und Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude zum Zustand der SPD bringen sie nicht ins Wanken. Ude hatte seiner Partei öffentlich einen Hang zur Selbstzerfleischung attestiert – er machte es daran fest, dass die Genossen bei zwei Parteitagen im vergangenen Jahr erst den bayerischen SPD-Chef Florian Pronold, dann Bundes-Chef Sigmar Gabriel böse abgestraft hatten. Pronold und Gabriel seien demontiert worden. „Das teile ich nicht“, sagt Kohnen. „Herr Ude beobachtet von außen. Aber man muss da genauer hinsehen.“ Die SPD habe sich in Bayern trotz des Zwangs zu schwierigen Kompromissen in der Berliner Koalition stabilisiert. Pronold habe die Partei im Freistaat modernisiert und kampagnenfähig gemacht.

Haderte kürzlich wieder mit seiner Partei: der SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2013 und frühere Münchner OB Christian Ude. Foto: dpa/Archiv

Kohnen ist Quereinsteigerin, die rasch durchgestartet ist. Politisch engagiert sich die 48 Jahre alte Münchnerin erst seit dem Jahr 2000, aus Ärger über fehlende Betreuungseinrichtungen für Kinder. 2001 trat sie in die SPD ein, 2008 wurde sie als Münchner Abgeordnete in den Landtag gewählt. Seit 2009 ist sie Generalsekretärin der bayerischen SPD, seit Ende 2015 auch Mitglied im Bundesvorstand. Als rechte Hand des bayerischen SPD-Chefs Pronold ist sie unter anderem für die Abteilung Attacke zuständig. Hauptgegner: die Regierungspartei CSU. Zu ihrem Repertoire gehört ab und an auch derberes Vokabular. „Fiese populistische Rhetorik“, bescheinigt sie CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in seinen Statements zu den Übergriffen auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht. Scheuer hatte auf den mutmaßlichen Migrationshintergrund der Täter verwiesen, die Medien zur „Klarheit und Wahrheit“ gemahnt und vor falsch verstandener Vorsicht in der Berichterstattung gewarnt. Kohnen fühlt sich an die Lügenpresse-Vorwürfe der AfD erinnert. „Die CSU tut alles, um die AfD salonfähig zu machen“, sagt sie. „Da passt kein Blatt mehr dazwischen.“

Sie setzt auf Steinmeier und Merkel

Die SPD-Generalsekretärin kritisiert auch die notorische Forderung der CSU nach Obergrenzen für Flüchtlinge, obwohl der Seehofer-Partei klar sein müsse, dass diese nicht machbar sind. Kohnen setzt stattdessen auf Flüchtlingskontingente zur gerechten Verteilung der Asylbewerber auf die EU-Länder. „Wir müssen 2016 zu einer Lösung kommen. Aber das braucht noch Zeit“, sagt sie. Zeit für internationale Absprachen, die Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel eingeräumt werden müsse. „Sie bemühen sich extrem.“

Zu den wichtigen Aufgaben angesichts der Flüchtlingskrise zählt Kohnen auch den raschen Bau bezahlbarer Wohnungen in Bayern. Engpässe führt sie auf eine verfehlte CSU-Politik zurück. In den kommenden fünf Jahren müssten 100 000 neue Wohnungen gebaut werden. Kohnen fordert eine staatliche Wohnbaugesellschaft, für die die CSU-Regierung rund 1 Milliarde Euro als Startkapital bereitstellen soll. „Für die Rettung der Landesbank wurden ja auch locker zehn Milliarden Euro frei gemacht. Wer will, der kann auch.“

Ilse Aigner „wie gelähmt“

Jenseits der Flüchtlingspolitik sieht Kohnen die Energiewende und die Debatte um den Bau neuer Stromtrassen als wichtigstes landespolitisches Thema 2016. Die Verzögerungstaktik der CSU müsse ein Ende haben, „sonst wird es in Bayern zu Versorgungsengpässen kommen“, sagt sie. Mehrfach, aber bisher vergeblich, habe sie Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ein überparteiliches Bündnis angeboten. Die SPD sei bereit, bei Bürgerdialogen entlang der Trassenkorridore gemeinsam die Bürger von der Notwendigkeit neuer Trassen zu überzeugen. Doch Aigner sei „wie gelähmt. Sie reagiert nicht – und die Zeit läuft“.

Klares Nein zur dritten Startbahn

Bei einem anderen Streitthema ist dagegen kein Konsens zwischen CSU und SPD in Sicht. Das Nein der Sozialdemokraten zur geplanten dritten Startbahn am Münchner Flughafen sei felsenfest, sagt Kohnen. Dazu gibt es einen Parteitagsbeschluss, der 2010 im oberpfälzischen Weiden gefällt wurde. Die Münchner hatten zudem dem Projekt 2012 bei einem Bürgerentscheid eine Absage erteilt. An der Meinungslage habe sich nichts geändert, sagt Startbahngegnerin Kohnen. Die Münchner SPD und Oberbürgermeister Dieter Reiter lassen nach ihren Worten auch kein Hintertürchen offen – etwa durch den Verkauf des 23-Prozent-Anteils der Landeshauptstadt an der Flughafen GmbH, der ein Vetorecht sichert. Vom Erlös könnte die Landeshauptstadt wichtige Projekte finanzieren. Auch einige Genossen liebäugeln mit dieser Lösung. Doch das wäre „ausgesprochen unaufrichtig“, sagt Kohnen, und in der SPD „nicht mehrheitsfähig“.

Das Projekt, das zuletzt in der CSU zu heftigen Spannungen zwischen Startbahnskeptiker Seehofer und den vielen Startbahnbefürwortern in seiner Landtagsfraktion geführt hatte, ist damit faktisch vom Tisch. Den somit etwas akademisch anmutenden Streit in der Regierungspartei findet Kohnen trotzdem höchst interessant. Die CSU gewähre Einblicke in ihrer Führungs- und Hierarchiestrukturen. Die CSU-Landtagsabgeordneten seien es offenkundig leid, vom Regierungschef gegängelt zu werden.

Soll in Kohnens Thinktank eine der führenden Rollen spielen: der Regensburger OB Joachim Wolbergs Foto: Gabi Schönberger

Zoff in der CSU – für die Generalsekretärin ist das eine gute Nachricht. Die SPD-Frau will als Kontrapunkt in diesem Jahr den Zusammenhalt in der SPD intensivieren. Ihre Idee: ein Thinktank – eine Denkfabrik mit SPD-Kommunalpolitikern, die künftig Kurs und Themensetzung in der SPD stärker mitprägen sollen. Den Regensburger OB Joachim Wolbergs, der zuletzt beim SPD-Parteitag in Augsburg für seine Grundsatzrede zur Asylpolitik gefeiert wurde, sieht sie in einer wichtigen Rolle. „Er ist einer der Führenden.“

Christine Schröpf

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