Memmingen „Es war mir eine Ehre.“ Diese Aussage nimmt man vielen schlicht nicht ab, weil sie allzu oft als Pflichtfioskel in Dankesreden daherkommt. Warum ist das anders, wenn Josef Miller von Ehre spricht? In demselben sachlichen Ton, in dem er Minuten später über den BSE-Skandal und dessen verheerende Auswirkungen auf die Allgäuer Bauern reden wird. Ohne den geringsten Pathos jedenfalls.
Vermutlich findet sich die Erklärung im politischen Lebenslauf des Josef Miller: Wo andere Politiker parteiintern oder sogar öffentlich lauthals poltern, hat der Memminger es klaglos akzeptiert, als er zunächst 1993 seinen Posten als Staatssekretär verlor und 2008 nach zehn Jahren als bayerischer Landwirtschaftsminister abgelöst wurde. Und danach hat der 66-Jährige bis zu seinem Abschied aus dem Landtag vor wenigen Tagen kein Amt mehr angestrebt. Was nicht heißt, dass er nicht im Hintergrund bis zuletzt für seine schwäbische Heimat an den politischen Strippen gezogen hätte.
Das ist auch so ein Wesenszug. Wie bei jedem Spitzenpolitiker war bei ihm immer wieder das politische Machtgen zu spüren. Doch sich um jeden Preis in den Vordergrund zu schieben, war nie sein Ding. „Es ist gut, im Leben unterschätzt zu werden“, sagt er dazu – verbunden mit einer für ihn typischen Geste: Er beginnt zu lächeln, ein wenig verschmitzt, und sein Blick streift wie beiläufig prüfend seine Gegenüber. „Ein Politiker, der sich ein Denkmal setzen will, macht Politik nur für sich, und hat schon verloren.“
Als Parteisoldat seiner CSU verstand sich Miller dabei allerdings nie. „Als Minister war das schon gar nicht möglich.“ Oft genug hatte er für die bayerischen Landwirte auch keine guten Nachrichten im Gepäck, wenn er aus Berlin oder Brüssel zurück in die Heimat kam. Trotzdem war er mehrfach bei Kabinettsneubildungen als Minister weiter gesetzt. „Miller hält die Bauern ruhig“, hieß es stets in politischen Kreisen. Mit Phrasen und leeren Versprechungen wäre ihm das nie gelungen, versichert er schnell. „Das geht nur mit Offenheit und Ehrlichkeit.“ Da blitzt es wieder auf, dieses verschmitzte Lächeln. „Damals war das die Katastrophe schlechthin.“
Sein größter politischer Erfolg? Dieser Frage geht der 66-Jährige nach einer Kunstpause aus dem Weg, spricht lieber von der „größten Genugtuung“: Dass die tödliche Tierseuche BSE nicht auf den Menschen übergegangen ist. Immer noch erinnert sich Miller mit Grausen an die Zeit, als Verbraucher aus Angst vor der Kreuzfeld-Jakob-Krankheit kaum mehr Rindfleisch gekauft haben: „Mit verklärtem Blick wird inzwischen vieles kleingeredet. Aber damals war das die Katastrophe schlechthin, die ja politisch einige nicht überlebt haben.“
In 27 Jahren als Berufspolitiker hat der Memminger einiges mitgemacht. Anekdoten sprudeln nur so aus ihm heraus. Wie er zum Beispiel als Redenschreiber für den damaligen Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann einen Artikel verfassen musste, der sich gegen die Politik des Kempteners Ignaz Kiechle als damaligen Bundeslandwirtschaftsminister richtete und im Bayernkurier erscheinen sollte. Miller wollte ihn nicht mit Namen unterzeichnen. Überrascht sah er das Namenskürzel „dms“ – was „der Minister scheut“ heiße, wurde ihm erklärt.
Mit Kiechle verband den Memminger eigener Einschätzung nach ein „fast väterliches Verhältnis“. Der Kemptener ließ seinen bayerischen Kollegen öfter in einer Bundeswehrmaschine von Berlin mit nach Memmingen heimfliegen. Eines Tages brachte ein Chauffeur die beiden zum Flugplatz Tempelhof. Kiechle wollte nicht zu Fuß zum Flugzeug laufen und wies den Fahrer an, weiterzufahren – bis Polizeiautos herandüsten, weil der Dienstwagen auf der Landebahn fuhr.
(Erschienen: 29.07.2013 11:20)