Als Bas Dost an seinem größten Tag im Wolfsburger Trikot für einen Moment die eigene VfL-Vergangenheit beleuchtete, kroch ihm erkennbar die Unruhe in die langen Beine. Wie ein eingesperrtes Wildpferd scharrte der 1,96-Meter-Mann aus den Niederlanden mit seinen weißen Fußballschuhen über den Kunststoffboden und kramte in seinem Gedächtnis. „Ich stand oft genug hier, genervt, weil ich nicht mit Journalisten reden wollte. Aber jetzt hab‘ ich gezeigt, dass ich doch gut genug für Wolfsburg bin“, präsentierte Dost einen Abriss seiner Zeit bei den Niedersachsen.
In Hollands Eredivisie erzielte er im Dezember 2011 mal alle fünf Treffer zu Heerenveens 5:0 bei Excelsior Rotterdam. Auch dieses Erlebnis schwirrte Dost nach seinen vier Toren beim wahnwitzigen Wolfsburger 5:4 in der BayArena noch im Kopf herum. „Rotterdam war damals 16. Aber jetzt vier Tore gegen ein Spitzenteam wie Leverkusen – das macht mich schon besonders stolz“, betonte der Angreifer, der sofort eine Hitliste seiner persönlichen Karnevalssamstag-Show parat hatte: Einfach sei außer Nummer drei zum 4:2 keines der Tore gewesen, am schönsten seine technisch brillante Außenristverlängerung von Kevin De Bruynes Flanke zum 3:0. „Aber am wichtigsten“, so Dost, „war das letzte.“
Das letzte, in der vierten Minute der Verlängerung, das dem VfL doch noch die volle Punktzahl bescherte. Am Ende eines wüsten Spiels, in dem Wolfsburgs kostspieliger Wintereinkauf André Schürrle beim Wiedersehen mit seinem alten Klub ausgepfiffen wurde, kaum dass er seine Nase in die BayArena gesteckt hatte. Schön aber für Schürrle: Nach einer halben Stunde führten die Gäste haushoch verdient mit 3:0. Und auf der Tribüne hockten zwei Männer mit versteinerten Mienen: Bayer-Sportchef Rudi Völler und auf der Sitzschale links neben ihm, einen Kaugummi zermalmend, Geschäftsführer Michael Schade.
Den ersten Schreck erlebte das Duo in der sechsten Minute, als der VfL mit einem blitzgeschwinden Flankenwechsel durch Luiz Gustavo das Bayer-Gefüge auseinander riss und Dost auf Flanke von Vieirinha und dank eines Stellungsfehlers von Kyriakos Papadopoulos per Flugkopfball zum 1:0 traf. In der 17. Minute lenkte Bayer-Keeper Bernd Leno einen 26-Meter-Freistoß von Naldo, der kurz vor ihm aufsprang, dann mit den Fingern tollpatschig ins eigene Netz, zwölf Minuten später folgte Dosts Kunststück zum 3:0.
Alles schien gelaufen für Leverkusen, doch dann wurde es richtig wild. Der Südkoreaner Heung-Min Son mit drei Treffern und Karim Bellarabi drehten die Partie rund um Dosts zwischenzeitliches 4:2 auf pari. In der 82. Minute musste Bayer-Innenverteidiger Emir Spahic mit Gelb-Rot vom Platz, kurz darauf setzte Bas Dost den Schlusspunkt unter das Spektakel.
In den letzten acht Ligaspielen kommt der 25-Jährige, zuvor Dauergast auf der Reservebank, nun auf die sensationelle Quote von neun Treffern. „Es war ein wichtiges Zeichen für ihn und Nicklas Bendtner, dass wir mit Ivica Olic im Winter unseren besten Stürmer nach Hamburg haben ziehen lassen. Und gerade Bas Dost ist ein Mann, der dieses Vertrauen spüren muss“, nannte VfL-Coach Dieter Hecking den entscheidenden Grund für den hemmungslosen Erfolgslauf seines Stürmers. Für den war schon die Zugfahrt nach Leverkusen ein besonderes Erlebnis gewesen. Weil der vom VfL gebuchte Waggon offenbar nicht angehängt war, musste Dost bis zum Umstieg in einen Bus auf dem Gang sitzen. „Das ist mir auch noch nicht passiert“, erzählte er nach seinem spektakulären Auftritt am Rhein – und durfte sich trösten: Die Rückreise nach Wolfsburg traten die letzten verbliebenen Bayern-Jäger direkt im Bus an.