Das essen die Bayern an Heiligabend: Weihnachtsgans und Würstl mit …


München – Weihnachten ist ein Fest der Sinne. Am liebsten mit Christbaum und üppigem Festessen. Bei der Speisenauswahl sind die Bayern traditionell – das zeigt ein Blick auf die vergangenen Jahrhunderte. Es gab allerdings Zeiten, da war Schaschlik am Heiligen Abend der letzte Schrei.

Essgelage zu Weihnachten sind keine Erfindung der Neuzeit. Schon die Germanen schmausten an den dunkelsten Tagen des Jahres ausgiebig. Dabei mussten bestimmte Speisen auf den Tisch kommen, denn jede hatte eine bestimmte Schutz- und Zauberkraft: Fisch hatte eine Sühnefunktion, quellende Speisen wie Linsen und Bohnen sollten für Wohlstand sorgen. Äpfel brachten Gesundheit mit sich, Brot und Salz sollten den Tod fernhalten.


An den ausgiebigen Festessen änderten auch die Christen nichts, als sie begannen, Christi Geburt zu feiern. Bereits zum Ende des elften Jahrhunderts berichtet der Geschichtsschreiber Adam von Bremen von einem Weihnachtsgelage, bei dem die Priester gar nicht zu Wort kommen konnten, da „lauter Becherklang und Gesang alles andere übertönte“. „Dazu muss man wissen, dass Weihnachten zunächst ausschließlich in der Kirche gefeiert wurde“, sagt der religiöse Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. „Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Fest zu Christi Geburt zu einem stilleren Familienfest, bei dem zu Hause gefeiert und auch gegessen wurde.“

Die “Mettensau” gab’s auf dem Land

Lange Zeit gab’s auf dem Land die sogenannte „Mettensau“: In Bayern findet man über viele Jahrhunderte den Brauch, in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember ein Schwein zu schlachten. „Bis zum 24. Dezember herrschte strengstes Fastengebot“, erklärt der Brauchtumsforscher. „Nach der Christmette fand in fast jedem Haushalt ein Schlachtfest statt, das für die ganze Familie das höchste Fest des Jahres war“, so schreibt es Marianne Mehling in ihrem Buch „Die schönsten Weihnachtsbräuche“.

Fleisch galt zu jener Zeit als rare Delikatesse. Zum Festessen gehörten nicht nur der Schweinsbraten selbst, sondern auch die Mettensuppe sowie Leber- und Blutwürste. Die Würste verteilte man gerne auch an die Armen. Gaben für die Armen zu Christi Geburt waren im Mittelalter die Regel geworden. Nach und nach übernahm auch die Stadtgesellschaft die Bräuche von der ländlichen Gesellschaft, sagt Volkskundlerin Annegret Braun. „Darauf ist auch die Tradition zurückzuführen, dass zu Weihnachten auch heute noch Würstl gegessen werden.“

Dagegen wird Schweinsbraten heute nur noch in Ausnahmefällen zum Fest aufgetischt. Rund die Hälfte der Deutschen isst an den Festtagen Geflügel, das hat die „Apotheken-Umschau“ in einer Umfrage herausgefunden. Über den Ursprung des Gänsebratens gibt es zahlreiche Legenden. Brauchtumsforscher Becker-Huberti glaubt, dass die Geschichte, die sich um den Weihnachtsbraten von Königin Elisabeth I. rankt, die wahrscheinlichste ist: Die Herrscherin soll gerade eine Gans verspeist haben, als sie 1588 die Nachricht erreichte, dass die spanische Armada bezwungen worden sei. „Aus Freude über den Sieg und als Zeichen des guten Omens hat sie daraufhin die Gans zum Weihnachtsbraten erklärt“, sagt Becker-Huberti. Dieser Brauch hat sich in der Folge auch auf dem Kontinent verbreitet. Gänse waren damals auf jedem Bauernhof selbstverständlich.

Die meisten essen an den Festtagen traditionell

Erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts beginnt beim Essen eine Neuentwicklung – „wenngleich die meisten Menschen beim Weihnachtsessen nach wie vor eher traditionell bleiben“, sagt Becker-Huberti. „Gänsebraten und Würstl sind nie aus der Mode gekommen.“ Fisch zu Weihnachten ist hingegen eher eine Erfindung der jüngeren Vergangenheit. „Unsere Vorfahren haben mit Fisch die Fastenzeit verbunden“, sagt Annegret Braun. Nur noch vereinzelt findet man daher den Karpfen (meist blau und mit Petersilienkartoffeln serviert) auf der Speisekarte. Auch dass es in der Weihnachtszeit Süßigkeiten für die Bevölkerung gab, ist relativ neu. „Die einfacheren Menschen erfreuten sich an Äpfeln und Nüssen, nur die bessergestellte Stadtbevölkerung kannte Süßigkeiten“, sagt Braun.

Für Backwaren wie Lebkuchen und Spekulatius gab es früher spezielle Bäcker. Erst zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts fingen die Leute in privaten Küchen an zu backen. „Davor war dies auch gar nicht möglich, weil sie in ihren Häusern ja keine Öfen, sondern nur Feuerstellen hatten.“

Heute steht den Menschen zu Weihnachten eine schier unendliche Palette an Lebensmitteln zur Verfügung. Annegret Braun sagt: „Die Menschen wurden in der Folge beim Weihnachtsessen kreativer.“ Die erste Reisewelle der 1950er- und 1960er-Jahre fand auch auf der Speisekarte zu Weihnachten ihren Niederschlag: „Man galt als weltoffen, wenn man Schaschlik an Heiligabend servierte“, erinnert sich die Münchner Kochbuch-Autorin Hedwig Maria Stuber, 90, die sich seit 60 Jahren mit dem Kochverhalten der Deutschen auseinandersetzt.

Kaviar und Hummer? Das brauchen die Deutschen nicht

In den Jahren darauf folgten Raclette und Fondue. Eine Ess-Tradition zum Fest, die sich bis in die Gegenwart gehalten hat. Annegret Braun hat dafür eine einfache Erklärung: „Viele wollen sich an Heiligabend nicht stressen. Daher kommen entweder die traditionellen Würstl mit Kartoffelsalat oder Kraut auf den Tisch oder Gemeinschaftsessen wie Fondue und Raclette.“

Überholt ist dagegen, zu Weihnachten auf teure, repräsentative Lebensmittel zurückzugreifen, sagt Becker-Huberti. „Es müssen nicht mehr Kaviar und Hummer sein.“ Der Weihnachtsschmaus habe sich nach den luxuriösen 1980ern und 1990ern wieder auf einem normalen Maß eingependelt. „Es kommt den Menschen heute auf gute, aber nicht zwangsläufig teure Speisen an“, sagt Becker-Huberti. „Es ist an Weihnachten nicht Sinn der Sache, dass einer stundenlang in der Küche steht und sich abarbeitet.“ Denn Weihnachten sei ganz klar Familienzeit.

Das sieht auch der Münchner Sterne-Koch Hans Haas so, der in München Küchenchef des Tantris ist. Er sagt: „An Weihnachten wünsche ich mir vor allem Zeit für die Familie.“ Ein Wunsch, den die meisten Deutschen an das Weihnachtsfest haben – neben einem guten Essen.

Stephanie Ebner

E-Mail:Stephanie.Ebner@merkur.de

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