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Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer: Hätte im Fall Haderthauer früher erkennen müssen, dass hier nichts mehr zu retten war
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Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer: Hätte im Fall Haderthauer früher erkennen müssen, dass hier nichts mehr zu retten war
Viel zu spät ist Seehofers Staatskanzleichefin Haderthauer zurückgetreten. Schon als die kommerzielle Verbindung des Ehepaares Haderthauer mit einem Mehrfachmörder in Sicherungsverwahrung bekannt geworden ist, war die Sache klar. Dass Haderthauers Ehemann als Arzt technische Begabungen eines besonders abhängigen, nämlich zwangsweise in einer Anstalt befindlichen Patienten für sich nutzte, um Geld – und wie es scheint, mit erheblicher Handelsspanne – zu verdienen, ist an sich schon widerwärtig.
Da alle Menschen Patienten sind, aber nur wenige Ärzte, ist es besonders unerquicklich, wenn man einem Arzt erklären muss, was seinem Berufsethos entspricht. Den Patienten braucht man es nämlich nicht zu erklären. Da Frau Haderthauer nicht nur mit Herrn Haderthauer verheiratet, sondern auch in dessen asymmetrische Geschäfte verstrickt war, stand fest, wie die Sache enden würde, nachdem sie einmal bekannt geworden ist.
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Aber zwischen diesem Zeitpunkt und dem unausweichlichen Rücktritt der Politikerin ist eine Menge Zeit verstrichen, Zeit, die den Schaden vergrößerte, und das nicht nur durch zumindest unkluge, aber mutmaßlich doch eher heuchlerische Bemerkungen wie jene über das „von Idealismus getragene Engagement“ und verschiedene weitere Einlassungen.
Denn all das vertieft ja nur den Eindruck, dass sich in der CSU ein Denken ausgebreitet hat, in dem das Auspressen und Ausquetschen aller möglichen Einkommensquellen durch das Ausnutzen politischer oder amtlicher Macht eben als, um es noch einmal zu sagen, „von Idealismus getragenes Engagement“ verbrämt wird. Es fehlte ja nach den immer noch flackernden Abgeordneten-Affären der jüngsten Vergangenheit nicht an Anschauung.
Schaden und Spott
Nun war Frau Haderthauer nicht bloß einfache Landtagsabgeordnete, sondern hielt als Staatskanzleichefin das sachlich wichtigste Ministeramt, das eine Landesregierung bietet. Sie gehörte zu denen, die als Nachfolgerin Seehofers im Spiel, zumindest im Gerede waren. Deshalb trifft die Sache Seehofer doppelt: Er hat den Schaden und den Spott, und er war nicht klug oder nicht stark genug, das Anwachsen von Schaden und Spott über die sinnlos vertane Zeit zwischen Ruch und Rücktritt entschlossen zu verhindern.
Er hätte erkennen müssen, dass hier nichts zu retten gewesen ist. Das offenbart, wie so manches andere auch, Seehofers Schwäche. Die Schwäche eines starken, oder jedenfalls stark auftretenden und gewandten Mannes. Das ist ernst. Denn nichts träfe die CSU härter, als dass sie als Partei empfunden würde, die sich den Staat zur Beute macht, den Freistaat Bayern. Es kann sie überhaupt nichts härter treffen als ausgerechnet das.
Eine Simulation in bayerischen Landesfarben
Die CSU ist eine stolze und hochmütige Partei. Ihre Erfolge haben sie dazu gemacht – und dabei scheint sie zusehends aus den Augen zu verlieren, dass sie ihre Macht durchaus nicht nur den eigenen Leistungen und der eigenen Vortrefflichkeit verdankt, sondern auch einer besonders glücklichen Lage. Das ist nicht anders als bei einem Bauern, der auf fetten Weiden wirtschaftet; seine Erträge sind höher, obwohl der Nachbar auf den mageren Äckern vielleicht sogar mehr und fleißiger arbeitet.
Der fette Boden der CSU ist nicht nur das selbstbewusste Land der Bayern, sondern vielmehr die Simulation, die CSU sei eine eigene Partei und nicht etwa nur ein Landesverband der CDU. Es bleibt eine Simulation, solange die CDU nicht in Bayern und die CSU nicht außerhalb antreten. Und dabei springt für beide viel heraus. Für die CSU: dass sie mit dem Land verschmelzen konnte, nicht einfach nur eine konservative Volkspartei, sondern gleichsam die Partei der Bayern ist.
Folgen für die Union
Entsprechend hat sie sich denn auch die Landesfarben angeeignet. Das macht sie beinah unbesiegbar, und gerade darin liegt auch ein großer Vorteil für die CDU. Die konnte auch deshalb so lange den Kanzler stellen, weil die sichere Bank der bayerischen Wählerstimmen ihr im Bund zu Mehrheiten verhilft. Deshalb hält dieses Modell – ein bisschen getrennt marschieren und ziemlich vereint schlagen – so lange. Und daher wären die Folgen für die Union überaus dramatisch, wenn die CSU nicht mehr als Partei Bayerns erscheint, sondern als die Partei, die Bayern erbeutet hat.
So weit sind wir noch nicht. Doch die absolute Mehrheit hatte die CSU schon einmal verspielt. Seehofer hat ihr dazu zurück verholfen. Nun aber rutscht die Partei schon wieder auf einer schiefen Ebene. Der bayerische Ministerpräsident und Parteichef ist schlau, aber auch unruhig, unstet, unberechenbar. Seehofers Taktiken erwiesen sich wiederholt als nicht zu Ende gedacht. Sein Umgang mit Menschen wirkt mal brutal, mal sentimental, doch kaum je maßvoll und väterlich, wie es Seehofers Alter entspräche.
All das betrifft nicht nur Bayern. Mehrfach hat sich die CSU in jüngerer Zeit für die CDU in Berlin als sinnlos schwierige Schwester erwiesen. Der Unmut darüber tritt zunehmend zutage. Vorstöße aus Bayern haben der FDP geschadet, der AfD geholfen – und zuletzt vor allem der SPD im Bund genützt, die mit ihrem ebenfalls sprunghaften Vorsitzenden im Vergleich zu Seehofer schon wie ein Muster an Stetigkeit erscheint.
Quelle: F.A.S.
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