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- Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer fordert bei der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth für 2016 eine Wende in der Flüchtlingspolitik.
- Die Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge bekräftigt der CSU-Chef, auch wenn er die fixe Zahl von 200 000 nur noch als “Orientierungsgröße” bezeichnet.
- Kanzlerin Angela Merkel bleibt bei dem Treffen in Oberbayern allerdings bei ihrem Nein – und muss sich dafür kritische Fragen anhören.
Horst Seehofer kann es offenbar kaum abwarten. Um Punkt 13.22 Uhr – und damit gut 20 Minuten zu früh – tritt der CSU-Chef am Mittwoch vor die Kameras. Über ihm ein weißblauer Himmel, neben ihm die leuchtend gelbe Fassade des Tagungszentrums in Wildbad Kreuth und unter ihm, immerhin: eine hauchdünne Schicht Schnee. Seehofer strahlt – und beginnt so salbungsvoll zu sprechen, dass eines sofort klar wird: Auf Krawall legt Bayerns Ministerpräsident keinen Wert. Jedenfalls nicht heute. Krawall hat es in den vergangenen Tagen mehr als genug gegeben.
Am Mittwoch begann in Kreuth, einem kleinen Ort in der Nähe des Tegernsees, die alljährliche Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten. Wie fast jedes Jahr hatte es auch diesmal in den Tagen zuvor bundesweit Aufregung darüber gegeben, was die Landesgruppe politisch so alles beschließen will: etwa, dass man nur noch Flüchtlinge einreisen lassen sollte, die einen gültigen Pass haben, oder dass man all diejenigen bestrafen sollte, die sich nicht integrieren wollen. Es sind Vorschläge, die von vielen Kommentatoren als populistisch verurteilt und als unsinnig verrissen wurden.
Und so zieht Seehofer es vor, seine Begrüßungsrede erst einmal mit einem deutlich weniger umstrittenen Thema zu beginnen, einem Jubiläum nämlich. Es sei das 40. Mal, dass die Landesgruppe in Wildbad Kreuth zusammenkomme, stellt Bayerns Ministerpräsident fest. Dass sich just zu diesem Treffen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angekündigt habe, sei für die bayerische Schwesterpartei “eine Ehre” und unterstreiche “die Bedeutung der CSU für die deutsche Politik”.
Seehofer erwarte “ein sehr gutes Gespräch”, sagt er – und wird prompt unterbrochen. Wie das denn gehen solle, fragt ein Journalist. Schließlich hatte der CSU-Chef die Kanzlerin erst wenige Tage zuvor in einem Interview erneut mit seiner Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge provoziert. Er hatte dafür plädiert, dass Deutschland pro Jahr nur 200 000 Flüchtlinge aufnehmen solle. Doch Seehofer lässt sich nicht beirren. Er gehe fest von einem guten Treffen aus, “weil wir sehr häufig in den vergangenen Tagen gesprochen haben” und weil die CDU ja selbst auf ihrem Parteitag beschlossen habe, dass man die Zahl der Flüchtlinge “spürbar reduzieren” müsse. “Das heißt nichts anderes als begrenzen”, sagt Seehofer – und blickt zufrieden drein.
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An der Zahl 200 000 hält der Parteichef fest. Sie entspreche in etwa der Größenordnung, die bei einer fairen Verteilung aller Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union auf Deutschland entfallen würde. Ob die deutsche Flüchtlingspolitik erfolgreich sei, beurteile die Bevölkerung anhand dessen, was an der Grenze passiere. “Abgerechnet wird immer an der Grenze”, sagt Seehofer – was man durchaus als Warnung an Merkel verstehen kann. Auf die Frage, wie das Zusammentreffen mit der Kanzlerin ausgehen werde, wiegelt Seehofer ab. “Jetzt warten wir einfach mal ab, es wird eine ganz vernünftige Begegnung.”
Wofür die CDU die CSU eigentlich noch brauche, will ein anderer Journalist wissen. Doch auch von dieser Frage lässt Seehofer sich die gute Laune nicht verderben. Er zuckt die Schultern. “Damit sie den Kanzler stellen kann”, erwidert er und lacht. Das ist der Moment, in dem Gerda Hasselfeldt das dringende Bedürfnis verspürt, sich einzuschalten.
Merkel: freundlich im Ton – und hart gegen die Obergrenze
Bis zu diesem Moment hat die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag wortlos neben Seehofer gestanden, doch jetzt packt es die 65-Jährige. Die CSU und vor allem die Klausuren in Kreuth seien seit jeher “Impulsgeber” und “Taktgeber” für die Bundespolitik gewesen, sagt Hasselfeldt. Vor einem Jahr sei man für den Vorschlag, zwischen wirklich Schutzbedürftigen und bloßen Wirtschaftsflüchtlingen zu unterscheiden, massiv kritisiert worden. Heute sei das weitgehend Konsens in der politischen Landschaft.
Vor zwei Jahren habe es ebenfalls keinerlei Verständnis für die Forderung gegeben, stärker gegen Sozialmissbrauch von Migranten vorzugehen. Auch das sei heute ein Thema, das allgemein anders gesehen werde als damals. Kurzum: “Die CSU tut der CDU gut”, sagt Hasselfeldt. Seehofer nickt, dann beschließt er aber doch, seine Kollegin leicht zu korrigieren. “Sehr gut.” Die CSU tue der CDU “sehr gut”. Der Parteichef lacht. “Gut ist zu wenig für die CSU.”
Ob Merkel das genauso sieht, bleibt am Abend offen. In einem knapp zweistündigen Gespräch mit den CSU-Abgeordneten schließt sie Steuererhöhungen zur Finanzierung der Flüchtlingskosten aus. Zur Not müsse man eine Neuverschuldung eingehen, sagt sie nach übereinstimmenden Angaben von Klausurteilnehmern. Sie muss sich jede Menge kritischer Fragen anhören. Vor allem Bayerns früherer Ministerpräsident Edmund Stoiber geht sie mehrfach scharf an. Nach dem Gespräch tritt Seehofer erneut vor die Kameras: Er sei sehr zufrieden: “Es war ja nicht zu erwarten, dass wir nach zwei Stunden eine identische Position bekommen.”
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