Bluff mit Erbschaftsteuer

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29. Dezember 2014

Abgabe bleibt, auch wenn sich die Politik nicht auf eine Neuregelung verständigen kann.

KARLSRUHE. Fällt die Erbschaftsteuer Mitte 2016 ersatzlos weg, wenn sich die Politik nicht auf eine Neuregelung einigt? Das behaupten Unions-Politiker und die bayerische Staatsregierung. Doch das ist nur ein konservativer Bluff.

Das Bundesverfassungsgericht hat Mitte Dezember das derzeitige Erbschaftsteuerrecht beanstandet. Unternehmenserben können große Werte auch dann steuerfrei erben, wenn dies nicht der Sicherung von Jobs dient. Bis zum 30. Juni 2016 muss die Politik deshalb entweder konkrete Vorgaben der Richter umsetzen oder die Erbschaftsteuer ganz neu konzipieren. Die Koalition hat sich bereits festgelegt: An der Steuerfreiheit für Unternehmenserben will sie festhalten. Nur die Karlsruher Änderungswünsche, etwa eine Bedürfnisprüfung bei der Vererbung von Großunternehmen, will sie umsetzen.

Doch für die Änderung ist die Zustimmung des Bundesrats erforderlich. Das heißt nach derzeitigem Stand: Mindestens zwei grün-mitregierte Länder müssen zustimmen. Das kann zu harten Verhandlungen führen. Die Grünen wollen laut Wahlprogramm das jährliche Aufkommen der Erbschaftsteuer auf 8,6 Milliarden Euro verdoppeln. Das Geld sollen die Länder für Bildung, Wissenschaft und Kulturförderung ausgeben können.

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CDU-Politiker wie Christian von Stetten, der in der Fraktion für die Erbschaftsteuer federführend ist, versuchen bereits, Druck auf die Grünen auszuüben. Wenn die Grünen zu viel fordern, gebe es keine Einigung – und ohne Einigung falle die Erbschaftsteuer nach dem 30. Juni 2016 ersatzlos weg, warnt von Stetten.

Auch auf Länderseite sind ähnliche Argumente zu hören. Die bayerische Staatsregierung geht laut Münchener Merkur ebenfalls davon aus, dass ohne Einigung bis Mitte Juni 2016 die Erbschaftsteuer gar nicht mehr erhoben werden kann. Ihr Verhandlungsziel: Die Länder sollen Steuersätze und Freibeträge bei der Erbschaftsteuer selbst festlegen können. Bayern würde dann die Steuersätze halbieren, hat Finanzminister Markus Söder (CSU) angekündigt, damit reiche Erblasser ihren Wohnsitz nach Bayern verlegen.

Doch hat die Drohung mit der wegfallenden Erbschaftsteuer Substanz? Von Stetten verweist auf das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Im Erbschaftsteuergesetz seien nicht nur die Verschonungsregeln für Unternehmenserben beanstandet worden (Paragraphen 13a und 13b), sondern auch der Steuertarif für alle Erben (Paragraph 19). Ausdrücklich heißt es in Randziffer 284 des Karlsruher Urteils: “Damit ist die Erhebung der Erbschaftsteuer auch für den Übergang von Privatvermögen blockiert.”

Das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Verfassungsrichter haben die Fortgeltung der beanstandeten Paragraphen ausdrücklich angeordnet – und zwar “bis zu einer Neuregelung”, wie es in Randziffer 292 des Urteils heißt. Der Bundestag ist zwar verpflichtet, die Erbschaftsteuer bis zum 30. Juni 2016 neu zu regeln. Aber nirgends in der Karlsruher Entscheidung steht, dass die fortgeltenden Normen ab dem 1. Juli 2016 automatisch außer Kraft treten.

Das sehen auch die Verfassungsrichter so. Nach Informationen der Badischen Zeitung beriet sich der Erste Senat intern über die Frage, was nach ergebnislosem Fristablauf passieren würde. Die Richter waren sich einig, dass die Erbschaftsteuer nicht wegfällt. Die Spekulationen aus der Union und aus Bayern sind ein Bluff.

Auch die derzeitigen Verschonungsregeln für Unternehmenserben würden ohne Neuregelung nicht ewig weitergelten. Vielmehr wollen die Verfassungsrichter dann selbst und ohne Antrag anordnen, was bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber gelten soll. Die Befugnis für eine solche Anordnung haben sie.

Autor: Christian Rath

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