Der Abhörskandal zieht immer weitere Kreise: Nicht genug, dass die US-Behörde NSA mittels Spähprogramm Prism die Datenautobahnen anzapft; auch die deutschen Dienste lauschen und lesen fleißig bei ihren Bürgern mit. Davon könnte auch die Kirche betroffen sein: Denn was ist eigentlich das Seelsorgegeheimnis noch wert, wenn weder Telefon noch Mail sicher sind?
Verschlüsseln hilft: Wer seine Mails mit Codierungen versieht, sperrt unerwünschte Mitleser aus.
Fünf Jahre lang hat Petra Kringel die Online-Seelsorge für die kirchliche Jugendplattform konfiweb betreut, vier Jahre lang war sie ehrenamtliche Online-Pfarrerin der Landeskirche. In dieser Zeit hat sie das Internet schätzen gelernt: »Jugendliche suchen bei Problemen eher den Weg ins Netz als zur Polizei.« Und auch Kirchenvorsteher nähmen dessen Anonymität gern in Anspruch, um sich inkognito über Lösungsmöglichkeiten für verfahrene Situationen in der Gemeinde zu informieren.
Gerade bei längeren Schriftwechseln per Mail entstehe dennoch oft ein Vertrauensverhältnis: »Manchmal habe ich dann auch den richtigen Namen der Ratsuchenden erfahren«, berichtet Kringel, die heute als Klinikseelsorgerin in Ingolstadt tätig ist. Umso wichtiger ist für sie das Seelsorgegeheimnis im Internet: »Im Dienst einer glaubwürdigen Seelsorge muss die Kirche alles daransetzen, dass keiner mitliest oder mithört.«
Davor versucht sich die bayerische Landeskirche zu schützen, indem sie das geschlossene »Sichere Kirchennetz« verwendet. »Solche geschlossenen Systeme verwenden auch große Firmen, um ihre Kommunikation zu tunneln«, erklärt Miklòs Geyer von der »Vernetzten Kirche«, der Internetabteilung des Evangelischen Presseverbands.
Alle bayerischen Gemeinden könnten so über eigene Zugangsdaten ins Netz gehen und seien dann vor Angriffen von Hackern geschützt. Innerhalb dieses geschlossenen Systems, das die Telekom gegen Geld zur Verfügung stellt, sei auch der Mailverkehr sicher – soweit man bisher weiß.
»Sobald ich aber von einer elkb.de-Adresse beispielsweise an googlemail.de schreibe, gibt es keinen Schutz mehr«, erklärt der Pfarrer und Internetexperte. Man müsse sich Mails vorstellen wie eine Postkarte nach Übersee: Jeder Postbote auf dem Weg kann sie lesen. »Bei Mails braucht es dafür auch nur wenig mehr technisches Know-how«, sagt Geyer.
Schutz bieten Verschlüsselungsprogramme wie PGP, die aber kaum jemand nutze. »Es macht etwas mehr Aufwand, deshalb hat es sich bisher noch nicht durchgesetzt«, sagt Geyer. Auch das Sichere Kirchennetz werde nicht von allen Gemeinden, Pfarrern oder Kirchenvorstehern genutzt: »Sicherheit bedeutet immer auch eine gewisse Einschränkung – das wollen nicht alle hinnehmen«, so der Pfarrer. Geyer plädiert für einen verantwortungsvollen Umgang mit persönlichen Daten: »Vertrauliche Informationen gehören nicht in eine Mail.«
Deshalb würde die frühere Online-Seelsorgerin Petra Kringel keine Seelsorge per Mail anbieten, wenn sie nicht sicher weiß, dass sie das innerhalb eines geschützten Systems tut. »Denn das verträgt sich nicht mit dem Seelsorgegeheimnis«, sagt sie. Trotz Abhörskandal gehören – möglichst gut geschützte – Seelsorgeangebote ihrer Meinung nach dennoch ins Internet: »Ich habe es so erlebt, dass sich Menschen der Kirche und der Pfarrerin im Netz gern nähern.«
Trotzdem ist die Online-Seelsorge der Landeskirche seit Ende 2010 offline. Das hat aber nichts mit den fremden und einheimischen Spähern zu tun. Die Nachfrage war einfach so groß, dass das Angebot ehrenamtlich nicht mehr zu stemmen war.