München – Der Traum vom Triple ist ausgeträumt – aber bekommen die Bayern nach dem bitteren Aus gegen Real noch mal die Kurve? Die große Analyse.
Am 17. Mai steigt in Berlin das Pokalfinale gegen Dortmund. Mit dem Gewinn des Doubles wäre die Stimmung gerettet bei den Roten, die sich schon im siebten Himmel wähnten…
Pep, Pep, Pep! Als der FC Bayern Anfang 2013 die Verpflichtung von Guardiola zur neuen Saison bekanntgab, war die Sensation pepfekt! Schon bevor der spanische Startrainer seinen Dienst an der Säbener Straße am 1. Juli 2013 offiziell angetreten hatte, kannte der Hype um ihm keine Grenzen. Einenn Monat nach Jupp Heynckes’ Triple trat er dann seinen Dienst an in München. Buenos dias, Messias!
„Mein erster Eindruck ist wunderbar. Ich habe gemerkt, der FC Bayern hat sehr, sehr, sehr, sehr, sehr intelligente Spieler“, ließ Pep im Trainingslager in Trentino wissen. Die sechs Wochen Vorbereitung nutzte der Spanier, um alle Facetten seiner Stars kennenzulernen. Er experimentierte eifrig und viel, dabei entdeckte er in Philipp Lahm einen neuen Mittelfeldspieler. Konstant blieb in Peps Planspielen stets nur eins: die radikale Rotation. Seiner Mannschaft impfte er den totalen Ballbesitz ein – am liebsten immer und überall. „Ich mag es nicht, wenn der Gegner den Ball hat“, erklärte der detailversessene Denker und forderte ganz nebenbei noch öffentlich Verstärkung für den Klassekader der Bayern: „Thiago oder nix.“ Die Bosse gehorchten. Der Bundesliga-Start glückte, Gladbach wurde mit 3:1 bezwungen. Drei Wochen später feierten die Bayern ihren nächsten, Pep seinen ersten Titel als Magier in München – und einen prestigeträchtigen dazu. Im Finale des UEFA-Supercups triumphierte der FC Bayern im Elfmeterschießen über den FC Chelsea mit Guardiolas Erzfeind José Mourinho. Einzig die Niederlage einen Monat zuvor im DFL-Supercup gegen Dortmund (2:4) war nicht unbedingt eingeplant, sollte allerdings die einzige Pleite für eine ziemlich lange Zeit bleiben.
Drei CL-Spiele und Siege machten den FC Bayern zum Rekordhalter
In der Liga eroberten die Bayern am achten Spieltag zum ersten Mal die Tabellenführung – und sollten sie danach auch nicht mehr hergeben. Anfang Oktober stimmte nicht nur die Platzierung, sondern auch das Auftreten der Roten. Peps Philosophie war perfekt verinnerlicht, die Bayern wurden immer dominanter. Schalke wurde vor heimischer Kulisse mit 0:4 abgefertigt, Leverkusen zu Hause vorgeführt. Trotz drückender Überlegenheit und 27:5-Torschüssen holte der FCB beim 1:1 im Rheinland aber nur einen Punkt. Die bis dato beste „Performance“, wie Pep die Auftritte seiner Elf gerne nennt, lieferte der Titelverteidiger aber bei Manchester City ab. Selbst die Briten bejubelten die Ballstafetten der Münchner, Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge sprach nach dem 3:1 im Stadium of Manchester von einer „Augenweide“. Für Uli Hoeneß war es eine „unglaubliche“ Vorstellung. „Wir haben absoluten Topfußball gespielt“, meinte Kapitän Lahm. Alles rosarot bei den Roten.
Drei CL-Spiele und Siege (5:0 und 1:0 gegen Pilsen und 3:1 in Moskau) später stiegen die Bayern in Europas Eliteklasse sogar zum Rekordhalter auf. Seit dem Viertelfinal-Hinspiel der Vorsaison gegen Juventus hatte der Champion zehn Siege in Serie eingefahren – und damit den FC Barcelona überflügelt. In der Liga überboten die Roten beim 3:0 gegen Augsburg sogar den Uraltrekord des HSV, der in den 80er-Jahren 36 Spiele am Stück ungeschlagen blieb. Die Stars spielten sich in einen Rausch, den auch die Hoeneß-Affäre nicht verfliegen ließ. Als unschlagbare Ungeheuer machten sich die Bayern auf nach Marokko – das Ziel: die Klub-WM. Dem ungefährdeten 3:0 über Guangzhou folgte im Finale ein ähnlich souveränes 2:0 gegen Casablanca. Der FCB feierte seinen 50. Pflichtspielsieg und krönte ein überragendes Jahr mit dem fünften Titel.
Rummenigge: Inzwischen genießt der FC Bayern “großen Respekt”
„Das ist ein Riesenabschluss nach einem großen Jahr“, jubelte Thomas Müller, während Manuel Neuer erklärte: „Die Trophäe bedeutet uns viel. Es ist etwas Besonderes, sie gewonnen zu haben.“
Die Bayern begeisterten – überall. Selbst in Asien. Als der Herbstmeister sich in Katar auf die Rückrunde vorbereitete, ging es vor der Heimkehr noch auf einen Blitzbesuch nach Kuwait. Am Privatterminal des Emirs empfangen, mit Polizeieskorte in den Palast. Das erleben sonst nur Präsidenten oder Popstars. Auch hierzulande waren die Sympathiewerte des Rekordmeisters gestiegen, was selbst Karl-Heinz Rummenigge verwunderte. „Ich habe auch Zeiten erlebt, in denen unser Bus ein paar Steine abbekommen hat“, erinnerte sich der Bayern-Boss im tz-Interview und war sich sicher: „Inzwischen genießt unser Klub großen Respekt.“ Und zwar so großen, dass die Gegner teilweise schon vor dem Anpfiff kapitulierten. Frankfurts Trainer Armin Veh schickte am zweiten Rückrunden-Spieltag tatsächlich nur eine B-Elf in die Arena, um seine besten Spieler für den Abstiegskampf zu schonen. Den Bayern war’s egal – sie eliminierten die Eintracht mit 5:0. Anschließend wurde es auch in der CL ernst. Der FC Arsenal wartete, doch nach dem 2:0-Erfolg im Emirates Stadium blickte der Rekordmeister entspannt aufs Rückspiel, das 1:1 endete. Dazwischen bedeutete der 6:1-Sieg in Wolfsburg den 16. Liga-Sieg in Serie – die nächste noch nie erreichte Marke.
Aus den Super-Bayern wurden die Super-Überrekord-Bayern
Aus den Super-Bayern der Vorsaison wurden die Super-Überrekord-Bayern, die ihren Triumphzug durch die Republik bis zum 25. März fortsetzten. Nicht einmal der Liga-Aufstand gegen Sportvorstand Matthias Sammer nach dessen versteckter Kritik zu den Trainingsmethoden anderer Klubs oder die Verurteilung von Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Haft verunsicherten die Mannschaft. Der 3:1-Erfolg in Berlin sorgte dann für die früheste Meisterschaft aller Zeiten – und für den großen Bruch im Bayern-Spiel. Die Achterbahn ging auf Talfahrt…
„Die Bundesliga ist vorbei“, erklärte Guardiola vor dem nächsten Liga-Spiel gegen Hoffenheim – das nach 19 Siegen in Serie prompt 3:3 endete. Im Viertelfinale der Königsklasse mühte sich der Meister anschließend zu einem 1:1 bei Manchester und nur vier Tage später setzte es nach 53 Partien ohne Pleite plötzlich ein 0:1 in Augsburg. Guardiola hatte die Rotation auf die Spitze getrieben und eine C-Elf auf den Rasen geschickt, um seine Stars für das Rückspiel gegen ManU zu schonen. Drei Spiele ohne Sieg – das hatte es beim FCB seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gegeben. Vor dem Rückspiel gegen United stand Pep plötzlich unter Druck. Hatte er seinen Stars die Spannung genommen? Den Rhythmus geraubt?
Dem FC Bayern war das Tempo und die Kreativität abhanden gekommen
Die goldene Guardiola-Regel befolgte das Team zwar nach wie vor: den Ball haben. Doch das Tempo und die Kreativität gingen dem Spiel der Roten ab, ebenso wie die Torgefahr. Trotz Rückstand wurde Manchester 3:1 besiegt, der Traum von der Triple-Verteidigung lebte weiter. Doch nur drei Tage später kamen neue Fragen auf, 0:3 gingen die Bayern daheim gegen Dortmund unter. Thomas Müller versuchte zu erklären: „Wir haben ein mentales Problem. In der Liga fehlt uns einfach die letzte Gier.“ Und selbst der Chefkritiker Matthias Sammer warb um Verständnis: „Unsere Spieler sind keine Maschinen und keine Roboter.“
Also hieß es für den FC Bayern umschalten – auf K.o-Modus. Im Pokal-Halbfinale gegen Zweitligist Kaiserslautern klappte das zwar ergebnistechnisch beim 5:1, spielerisch blieben die Bayern jedoch weit hinter ihrer begeisternden „Performance“ von vor einigen Wochen zurück. In Madrid war der Ballbesitz des FCB zwar recht schön anzuschauen, nur effektiv war es nicht. Das 1:0 durch Benzema war der Anfang vom Ende der Triple-Träume.
Und jetzt? Reicht es noch fürs Double? Mal sehen, was dem Super-super-Trainer einfällt, damit die Revanche gegen Dortmund gelingt.
Sven Westerschulze
Bilder Einzelkritik: Ein Bayer bekommt Note 6
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