Dürfen die Hells Angels mit ihren Abzeichen wie den geflügelten Totenkopf in der Öffentlichkeit auftreten? Außer Hessen verneinen alle Bundesländer diese Frage inzwischen, und die meisten berufen sich dabei auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom April. Der Berliner Innenexperte Tom Schreiber (SPD) beschreibt die Verbote der Symbole als Teil der Strategie gegen die Rockerkriminalität. “Wir fahren eine Null-Toleranz-Strategie”, lautet die Begründung im Stuttgarter Innenministerium. Denn: Eine Beschlagnahmung der Kutten mit den Zeichen sei eine sehr harte Strafe für Hells Angels.
Wenn die Rocker ihre Abzeichen nicht mehr tragen könnten, werde ihnen die Möglichkeit genommen, ihre Staatsverachtung zu zeigen und Psychodruck auf ihr Umfeld auszuüben, sagt der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz.
Die Verbote seien begrüßenswert, weil sich der Staat handlungsfähig zeige. Sie dürften sich aber nicht auf die Zeichen und nicht auf die Hells Angels beschränken.
“Alle kriminellen Rockergruppierungen, die Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG), müssen verboten werden”, fordert Schulz. “Verbote sind zwar kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität.” Als Beispiele nennt er Drogen- und Menschenhandel sowie Prostitution. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamts steht jedes zehnte Verfahren der Organisierten Kriminalität in Zusammenhang mit den Rockergruppierungen.
Juristen erwarten nach dem Verbot, die Symbole öffentlich zu tragen, eine Reihe von Klagen.
Der Frankfurter Strafrechtler Matthias Jahn rechnet mit einer “sehr langen Phase der Ungewissheit in Details und an den Rändern der Sachlage”. Der Passauer Anwalt, Kriminologe und Rocker-Experte Florian Albrecht spricht gar von einer Verfahrensflut bis zu einer Entscheidung der Bundesgerichte. “Rechtssicherheit werden wir erst in drei, vier Jahren haben.”
Charter mit Vereinsverboten belegen?
“Ein Urteil eines Oberlandesgerichts hat keine Bindungswirkung, an die sich die Strafverfolgungsbehörden halten müssen”, erläutert Jahn. “Zumal es in anderen Bundesländern wie in Bayern andere Entscheidungen gab, an denen sich die Praxis bisher orientiert hat.” Nach dem Hamburger Urteil justierten Staatsanwaltschaften und Polizei diese aber neu.
“Der sicherste Weg aus Sicht des Staates wäre, alle Charter mit Vereinsverboten zu belegen”, sagt der Professor, der auch Geschäftsführer des Instituts für Kriminalwissenschaft und Rechtsphilosophie an der Frankfurter Uni ist. “In der Praxis wird aber erst einmal ausprobiert, wie weit man mit der zeit- und kostensparenden Strategie einer entsprechenden Anwendung der in Hamburg geprägten Grundsätze kommt.”
Besonders große Probleme sieht Jahn bei dem Verbot der Bayern und Niedersachsen, keine tätowierten Hells-Angels-Symbole zeigen zu dürfen. “Was wollen Sie mit Mitgliedern der Hells Angels machen, die sich solche Zeichen auf die Haut tätowiert haben?” Ihnen vorzuschreiben, nur mit überklebten Hautstellen ins Schwimmbad zu gehen, sei höchst problematisch.
“Da gibt es noch viele grundrechtliche Fragen, die geklärt werden müssen.”
Albrecht, der sich als wissenschaftlicher Beamter an der Uni Passau mit Datenschutzrecht befasst, hält das Urteil des OLG Hamburg aus vereins- und verfassungsrechtlicher Sicht für falsch.
Die Interpretation der Polizei sei willkürlich und entspringe einer verkürzten Sichtweise. “Konflikte zwischen Polizei und Rockern sind vorprogrammiert, etwa wenn Beamte den Hells Angels plötzlich auf den Rücken klopfen und ihnen ihre Jacken mit dem Schriftzug abnehmen wollen.” Albrecht ist zudem überzeugt, dass die Rocker auch künftig zu erkennen sein werden. “Es gibt ja auch noch andere Symbole, die nicht verboten sind.”