Bayern-Trainer Pep Guardiola: Rätsel und Faszinosum in einer Person – FAZ

Es gibt über Sportjournalisten den Spott, sie seien in Wirklichkeit „Fans, die es auf die Pressetribüne geschafft“ hätten. Das ist natürlich Unsinn. In Wirklichkeit sind sie Trainer, die es nicht auf die Bank geschafft haben. Dort oben auf der Tribüne kennt man es gut, dieses befriedigende Gefühl des Beobachters, den Handelnden manchmal überlegen zu sein. Dieses „Ich hab’s ja gleich gesagt“: falsche Aufstellung, falsche Einwechslung, falsche Taktik. Am besten alles zusammen. Das Schöne am Fußball ist: Auf einen von zwei Trainern trifft das am Ende immer zu – dass er falschlag. Aber: praktisch nie auf Guardiola.

Christian Eichler



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Er wirkt wie ein Schachspieler, dem es gelingt, dass auf seinem Brett selbst die Bauern, selbst Spieler wie Rafinha sich in Damen verwandeln, die alles können. Auch die Läufer auf den Außenbahnen arbeiten nach hinten, auch die Türme in der Abwehr spielen tödliche Pässe. Zugleich ist Guardiola nicht fähig oder willens (was aufs Gleiche rauskommt), der Welt zu erklären, wie genau er das macht. Er gibt keine Eins-zu-eins-Interviews mit großen Zeitungen, in denen sich in Ruhe und Tiefe taktische, ja auch philosophische Fragen des Fußballs erörtern ließen. Oder man wenigstens dem Phänomen Guardiola ein wenig näher käme.

Ein Rätsel, das funktioniert

Er bedient nur die Pflichttermine, die formellen Pressekonferenzen vor und nach dem Spiel, die dürren Kurzinterviews mit TV-Sendern unmittelbar nach dem Schlusspfiff, wie nach dem 1:0-Sieg der Münchner in Hannover. So bleibt das Faszinosum Pep unerklärt. Daran wird sich auch nichts ändern durch Guardiolas Entscheidung, die der FC Bayern wohl an diesem Sonntag öffentlich machen wird, nachdem der Klub seit über einem Jahr darauf gewartet hat. Egal wie sie ausfällt. Bleiben oder gehen? Spanische Medien haben berichtet, er werde gehen und Carlo Ancelotti kommen. So oder so wird Guardiola ein Rätsel hinterlassen. Aber eines, das funktioniert. Und eine Mannschaft, die weiter Guardiola-Fußball spielen wird, mit oder ohne Guardiola.

Von Uli Hoeneß, der ihn Ende 2012 in einer seiner letzten Amtshandlungen als Präsident vom Wechsel nach München überzeugte, ist bekannt, dass er kein Freund dieser Interview-Verweigerung ist. Er weiß, dass der persönliche Kontakt Kredit verschafft. Den braucht man, wenn es sportlich mal nicht läuft. Ein Trainer, der sich keine Freunde bei den Medien macht, gerät schneller in die Kritik und wird zum möglichen Problem für den Klub. So war das jedenfalls mal – eine der Regeln, die nicht mehr gelten. Nicht mit Guardiola. Er braucht den Kredit der Medien nicht. Er hat die harte Währung der Siege: 105 in 135 Spielen.



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Die Bayern feiern auch schon fünf Tage vor Heiligabend Bescherung.

© AFP


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Fußball war ein einfaches Spiel, eins der einfachen Wahrheiten. Es war tröstlich, dass es sie gab. „Never change a winning team“, ändere kein siegendes Team. Bleibe bei einem System, das die Spieler verstehen. Finde für jeden die beste Position und lasse ihn dort. All das gilt nicht mehr. Guardiola ändert ständig alles, Systeme, Positionen, Aufstellungen. Nur zweimal in zweieinhalb Jahren bot er in aufeinanderfolgenden Partien dieselbe Startelf auf. Und beim famosen 3:0 im Pokal in Wolfsburg beobachtete das Fachblatt „Kicker“, wie sich „die 4-3-3-Grundordnung permanent verformt, zu einem 4-2-4 oder 2-4-4 oder 4-1-4-1“. Der Zahlensalat ist der untaugliche Versuch, das Unfassbare zu fassen.

Was macht man da also als kritischer Betrachter, wenn einen diese sympathische demokratische Neigung des Fußballs, auch mal den Kleinen gegen den Großen, den Schlechteren gegen den Besseren gewinnen zu lassen, durch das Wirken solch eines Mannes plötzlich im Stich lässt? Mancher flüchtet sich heimlich in die These, dass der Kader, mit dem Guardiola arbeiten kann, nun mal so gut sei, dass es gar keine Rolle spiele, was er mache oder lasse. Wird aber ebenso heimlich irgendwann von der Ahnung beschlichen, dass es gerade der permanente Wechsel ist, der das Spiel der Bayern so gut macht. Guardiola bleibt ungreifbar. Und unangreifbar. Beides ist problematisch für jede Form von Journalismus.

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