26.01.2016 Berlin/München.
Jetzt hat es Angela Merkel auch schriftlich: Das CSU-geführte Bayern pocht auf eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik. Die SPD unkt, solche Briefe kündigten einen Bruch der Koalition an. Angedroht hat die CSU aber nun “nur” eine Klage gegen Merkels Regierung.
Der massive Streit zwischen CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik gefährdet aus Sicht der SPD den Fortbestand der großen Koalition.
Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann, kritisierte am Dienstag besonders einen offiziellen Beschwerdebrief des CSU-regierten Bayerns an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) inklusive der Drohung, notfalls Verfassungsklage zu erheben. “Das ist die Ankündigung des Koalitionsbruchs. In einer Koalition schreibt man keine Drohbriefe, sondern löst Probleme”, sagte er.
In dem schon länger angekündigten Brief, den das bayerische Kabinett am Dienstag beschloss, fordert Bayern eine wirksame Sicherung der deutschen Grenze und eine Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr. Wenn die Bundesregierung nicht handelt, will Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor dem Verfassungsgericht den Bund verklagen.
Wie lange er Merkel konkret Zeit gibt und wann geklagt würde, sagte Seehofer nicht. Im Brief findet sich die Formulierung “unverzüglich”, Innenminister Joachim Herrmann sprach von den nächsten Wochen.
SPD-Fraktionschef Oppermann nannte es einen unerträglicher Vorgang, dass CSU-Chef Seehofer gegen die Flüchtlingspolitik der eigenen Koalition vor Gericht ziehen wolle. Die CSU sollte sich überlegen, ob sie nicht besser in der Opposition aufgehoben wäre: “Zum Regieren wird die CSU nicht zwingend gebraucht.”
Im seit Wochen ungelösten Streit über weitere Verschärfungen im Asylrecht, dem Asylpaket II, sei die SPD “bis zur Schmerzgrenze kompromissbereit”, etwa beim umstrittenen Familiennachzug, sagte Oppermann. Seehofer blockiere jedoch. Zeit zur Aussprache haben die Parteichefs Merkel, Seehofer und Sigmar Gabriel (SPD) an diesem Donnerstag: Dann kommen die drei vor einem Bund-Länder-Spitzentreffen zur Flüchtlingspolitik im Kanzleramt zusammen.
Erst am Wochenende hatte CDU-Bundesvize Julia Klöckner tagesaktuelle Flüchtlingskontingente und die Einrichtung von “Grenzzentren” vorgeschlagen, in denen über die Aufnahme entschieden werden solle. Bei der SPD stieß sie damit auf Ablehnung. Klöckner zeigt sich dennoch zuversichtlich, damit durchzudringen. “In der Koalition geht die CDU voran, die SPD läuft hinterher”, teilte sie der Deutschen Presse-Agentur mit. Klöckner ist CDU-Spitzenkandidatin für die rheinland-pfälzische Landtagswahl im März.
Auch unter den CDU-Bundestagsabgeordneten gibt es viele Rufe nach nationalen Schritten zur Reduzierung der Flüchtlingszahl. Spätestens mit dem EU-Gipfel Mitte Februar müsse eine diplomatische Lösung her, sagte der CDU-Innenexperte Armin Schuster der Deutschen Presse-Agentur. “Es ist deshalb richtig, bereits jetzt wirksame nationale Maßnahmen vorzuplanen, sollten uns die europäischen Partner weiterhin im Stich lassen.” Schuster stellte sich hinter die Vorschläge Klöckners. Er ist einer von 44 Unterzeichnern eines kritischen Briefes an Merkel.
Vor dem Hintergrund der beiden kritischen Briefe aus CDU und CSU rief Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) am Nachmittag kurz vor einer Fraktionssitzung aufgebracht, dies könne nicht so weitergehen. “Wir sind hier nicht im Kasperltheater, sondern in einer der größten Bewährungsproben des Landes.”
An diesem Mittwoch trifft die Kanzlerin Vertreter der kommunalen Spitzenverbände (16.30 Uhr). Vorab forderte der Landkreistag, anerkannten Flüchtlingen künftig den Wohnsitz verbindlich vorzuschreiben. Derzeit könnten die Kommunen weder den Bedarf an Wohnraum belastbar planen noch Angebote zur Integration individuell anbieten, sagte Präsident Reinhard Sager.
SPD-Altkanzler Gerhard Schröder schlug eine Stichtagsregelung zur besseren Integration vor. Jeder Flüchtling, der sich zu einem bestimmten Stichtag in Deutschland aufhalte, dürfe ungeachtet, ob sein Asylverfahren abgeschlossen sei, hier bleiben und arbeiten, erklärte er laut “Handelsblatt Online” in Frankfurt. (dpa)