München – Holger Badstuber will zurück, will wieder eine feste Größe beim FC Bayern werden. Gleichzeitig findet er harte Worte für die Bayern-Jugend, die “zu bequem” geworden ist.
Neulich in Doha hat Holger Badstuber seinen vielleicht energischsten Zweikampf des Tages geführt, als die Trainingseinheit des FC Bayern schon vorbei war. Ein Reporter stellte ihn auf dem Weg ins Hotel, er fragte, wie es sich anfühle in Katar, endlich als Teil der Mannschaft, er habe hier ja in der Vergangenheit oft gefehlt. Badstuber kniff die Augen zusammen, irritiert, nicht wegen der gleißenden Sonne, und entgegnete: „Ich habe hier nur ein Mal gefehlt.“ Damit stockte das Gespräch sichtlich, der Profi beantwortete die folgenden Fragen bissig, die Einstandsfrage hatte ihn nachhaltig gewurmt. Weil sich ein Reporter besser vorbereiten muss. Und weil es Badstuber Leid ist, dass man ihn noch immer mit langen Auszeiten verbindet.
Tatsächlich kann man bei der Krankenakte des Innenverteidigers durchaus mal ins Schludern geraten. Als am 1. Dezember 2012 das Kreuzband riss, war das lediglich der Prolog eines Dramas, das mehr als fünf Akte umfasste. Zwischendurch wurde erwogen, ihm das Kreuzband eines Toten einzusetzen, und außer dem Knie streikten auch andere Körperteile, die Hüfte etwa sowie diverse Muskelpartien. Doch seit dem 7. November ist er nun schon ohne Blessur. Gegen den FC Ingolstadt hielt er sogar mit einer Kopfplatzwunde durch, wie Dieter Hoeneß einst spielte er mit einem Turban weiter. Trotz der Schmerzen. Und wegen des Images.
Holger Badstuber, 26, hat es satt, dass ihm ewig der Ruf des Dauerramponierten anhaftet. „Ich schaue nach vorne“, wiederholte er in Doha geduldig sein Mantra, das ihn zurück in eine Zukunft führen soll, die seiner Einstandsphase ähnelt. Unter Louis van Gaal rauschte er an der Seite von Thomas Müller von der zweiten Mannschaft bis ins Finale der Champions League. Für ihn hatte der eigenwillige Trainer extra den Routinier Lucio weggeekelt, und man kann zu van Gaal stehen, wie man mag: Bei dieser Rochade hatte er Recht. Badstuber schaffte es sogar noch zur WM in Südafrika.
An den Holger Badstuber 2009/2010 will der Holger Badstuber 2016 anknüpfen, nur leider spielt bei wohl keinem im Kader des FC Bayern die Vergangenheit so mit wie bei ihm. Die jüngere, wohlgemerkt. Über die sagt er aber, er habe sie „nicht verdrängt, doch ich habe sie abgehakt“.
Dennoch begleit ihn die bange Frage, ob sein strapazierter Körper hält. In der entscheidenden Saisonhälfte häufen sich die Spitzenduelle, Rehaphasen werden knapper.
Gestern saß Badstuber in der Medienrunde an der Säbener Straße, er feierte dabei einen Teilerfolg: Seine Krankengeschichte war nicht das beherrschende Thema, vielmehr stand eine Facette des Holger Badstuber aus der Saison 2009/10 im Fokus, die im Holger Badstuber 2016 weiter dazugehört: sein Vorbildcharakter für Talente, die es aus eigenen Reihen zu den Bayern-Profis schaffen wollen.
„Jugend von heute nicht die von gestern“
Badstuber hörte sich nicht zufrieden an, als er die jungen Kollegen analysierte. „Vielleicht sind sie zu bequem geworden – um den Sprung hier zu schaffen, muss man mehr Biss haben“, sagte er und negierte die These, es sei heute schwerer, sich oben zu empfehlen, da das Niveau eklatant gestiegen ist: „Früher war es auch schwer.“ Die Generationen hätten sich verändert: „Die Jugend von heute ist nicht mehr die von gestern.“
Er und Kollegen wie Müller oder David Alaba „haben ein Ziel gehabt – und das gnadenlos verfolgt“. Manche würden sich „heute nicht voll reinhauen“, lautete seine Generalkritik, „so beobachte ich das, das ist meine Meinung“. Früher seien sie „auch durch Täler gegangen, aber wir haben uns da wieder herausgekämpft. Geschenkt kriegt keiner was.“ Wer wüsste das besser als Holger Badstuber, der deshalb umso energischer als andere nach vorne schaut.
Andreas Werner
andreas.werner@merkur.de
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