Ein paar aufregende Momente hatten sie noch zu überstehen. Denjenigen, als David Alaba einen Penalty an den Pfosten schoss – und damit die Möglichkeit zur frühen Bayern-Führung vergab. Oder die Schrecksekunde, als Frankfurts Srdan Lakic an Manuel Neuer scheiterte. Doch am Ende genügte das Tor des Leaders Bastian Schweinsteiger zum knappen Erfolg der Münchner bei der Eintracht. So wurde der FC Bayern Meister, am 28. Spieltag. Es ist eine Meisterschaft der Rekorde. Nie feierte ein Team früher den Titel, keine andere Mannschaft hat zu diesem Zeitpunkt der Saison mehr Siege erspielen können. Keine erzielte mehr Tore, keine nahm weniger Gegentreffer hin.
Nicht bloss des eindrücklichen Zahlenwerks wegen ist es ein bemerkenswerter Titel. Er trägt Züge eines echten Meisterstück, das mehr ist als der kalkulierte Erfolg eines teuren Kaders. Ungeachtet der finanziellen Möglichkeiten, die sich den Bayern bieten (und die sie fast vor jeder Spielzeit in die Rolle des Favoriten zwängen), frappiert die Souveränität, mit der die Liga beinahe nach Belieben beherrscht wurde. Selbst Dortmund, ein Konkurrent von Format, gegen den die Bayern in den letzten beiden Jahren unterlagen, wurde deutlich distanziert.
Dabei wäre in diesem Jahr vieles möglich gewesen. Auch ein Zerfall des Teams wäre nicht unmöglich gewesen angesichts des Vorjahres. Denn die Bürde, die die Bayern aus dem letzten Jahr mitschleppten, war riesig. Drei Titel verspielten sie – am schmerzlichsten war die Niederlage im Final der Champions League vor eigenem Publikum gegen den FC Chelsea nach Penaltyschiessen. In Meisterschaft und Cup wurden sie von Dortmund gedemütigt, und die deutschen Internationalen, von denen die Münchner acht im Kader haben, erlebten an der Euro ein Debakel gegen Italien.
Oft brauchen Mannschaften lange, um sich nach einer solchen Saison aufzurichten. Doch die Regeneration der Münchner fiel kurz aus. Und sie hat viel mit Jupp Heynckes zu tun, dem Coach, der spürte, dass es auch für ihn vielleicht die letzte Möglichkeit war, noch einmal gross aufzutrumpfen. In seinem letzten Jahr bei den Bayern ging er keinen Kompromiss ein. Den Erfolg, der sich von Saisonbeginn an eingestellt hatte, vermochte er nicht bloss zu moderieren, wie gern bemerkt wird. Er hat ihn massgeblich gestaltet und die Voraussetzungen für diese Saison geschaffen.
Dabei verlief nicht immer alles reibungslos, im Gegenteil. Sportdirektor Matthias Sammer, der vor der Saison zu den Bayern gestossen war, wollte die Richtung vorgeben. Doch Heynckes behauptete sich gegen die Einmischungen des Sportchefs. Und auch mit dem Personal wusste er souverän umzugehen. Mit dem kapriziösen Niederländer Arjen Robben beispielsweise, der seine Rolle als Reservist akzeptierte. Und er scheute sich nicht, den deutschen Nationalstürmer Mario Gomez auf die Bank zu setzen, weil dessen Konkurrent Mario Mandzukic mehr Variabilität im Angriffsspiel versprach. Anlass zu Verstimmungen gab es im Kader reichlich. Doch es blieb ruhig, die üblichen Possen, die dem FC Bayern den Titel des FC Hollywood eintrugen, die gab es nicht – anders als in den vielen Jahren zuvor, als stets Details über Unstimmigkeiten nach aussen drangen.

Es waren Indizien einer Wandlung, die Heynckes vollzog. Dass er als Moderator Format hat, das hatte schon vor der Saison niemand bestritten, doch Heynckes scheute keine unpopuläre Entscheidung, womöglich auch zum Missfallen der Klubgewaltigen. Dass der Klub bereits mit dem ehemaligen Barça-Trainer Pep Guardiola handelseinig ist und Heynckes die Möglichkeit genommen wurde, seinen Abschied bei den Bayern selber zu verkünden, mag die autonomen Anwandlungen des Trainers bestärkt haben.
Hier geht es nicht nur um den Erfolg des Vereins, dessen loyaler Angestellter er stets gewesen ist, sondern auch um den ganz persönlichen Erfolg des Trainers Jupp Heynckes. Entschlossen wie in diesem Jahr hat Heynckes nie zuvor gewirkt, selbst die eigene Akribie wusste er nochmals zu steigern. Die Arbeit am Detail grenzt an Versessenheit: Vor dem Hinspiel gegen Juventus Turin versuchte er ein Bonmot, er gab zum Besten, dass er mit der «alten Dame Juventus ins Bett gegangen sei». Selten waren die Bayern konzentrierter und aggressiver als in dieser Spielzeit. Das ist ihre herausragende Qualität: Auf jede Herausforderung konnten sie eine Antwort finden.
Mit der Blitz-Meisterschaft stellten die Münchner, bei denen der Schweizer Xherdan Shaqiri in Frankfurt in der Stammformation stand, zugleich eine neue Bestmarke auf: Elf Siege nacheinander waren noch keinem Klub in 50 Jahren Bundesliga in einer Saison gelungen. Mit einem feinen Absatztrick sorgte Nationalspieler Bastian Schweinsteiger (52.) für den Rekord.
Zunächst taten sich die Bayern gegen den Aufsteiger, der Fünfter bleibt, schwer. David Alaba setzte einen Foulpenalty an den rechten Aussenpfosten (27.).
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